Die YouTube-Prostitution

Die YouTube-Prostitution

Die YouTube-Prostitution

Gesehen werden

YouTube-Prostitution… Harte Worte, aber manchmal empfinde ich es genau so, wenn ich Videos bei YouTube hochlade: Als ob ich mich prostituieren würde für ein paar Likes und für mehr Follower. Die Plattform bietet die Möglichkeit einer schnellen Ablenkung vom Alltag. Aber ich möchte keine Ablenkung sein. Ich möchte etwas verändern. Ich möchte den Menschen helfen ihre eigenen Stärken wiederzufinden. Ist das vielleicht zu viel verlangt? Oder muss ich einfach lernen, wie ich den Umgang mit YouTube emotional besser verarbeite?

Meine YouTube-Prostitution

Inhaltsverzeichnis über „Die YouTube-Prostitution“

30.12.2023

Die Veröffentlichung meines ersten YouTube-Short-Videos

An diesem Tag hatte ich den Mut, mein allererstes Video auf YouTube hochzuladen. Niemand in meiner Welt wusste davon. Niemand hat sich das Video angeschaut, nur weil er sich emotional verpflichtet gefühlt hat.

Es gab nur mich und die große weite YouTube-Welt.

Und die Angst davor, was passiert, wenn ich es hochlade.

Wie es zur YouTube-Prostitution kam

Ich wollte nie irgendetwas bei Social Media machen.

Das sind garstige Orte, an denen viele emotional schwer verletzte Menschen anonym ihre emotionalen Schmerzen an anderen auslassen. Es geht um Status und sehr viel Fremdwert: Wie viele Likes hat ein Video? Ging es viral? Wie viele Follower hat der Kanal?

Jeder teilt ungefragt seine Meinung zu allem mit. Und oft geht es darum, ANDERER Meinung zu sein.

Viele Menschen scheinen nur darauf zu warten, dass endlich der richtige Trigger gesetzt wird, damit sie richtig ausrasten und all ihren emotionalen Schmerz aus längst vergangener Zeit an fremden Leuten auslassen können, in dem Glauben, es ginge ihnen danach besser.

Ich wollte nie ein emotionaler Punchingball sein

Und trotzdem saß ich nach einem schweren emotionalen Zusammenbruch in einer Ferienwohnung und hatte DAS GEFÜHL ein Video aufnehmen zu müssen.

Ein Video für YouTube.

Kaum war die Kamera an, war mein Gehirn komplett leer (ist es bis heute sobald die Kamera läuft 😂) und ich starrte wie ein Reh im Scheinwerferlicht in dieses kleine schwarze Loch an meinem Macbook. Dann fing ich an zu weinen.

Meine allererste Videoaufnahme war also nicht so der Bringer. Wenig überraschend hab ich es auch nie veröffentlicht.

Das war der Beginn. Unspektakulär und komplett ungeplant.

Keine Zukunftsvisionen von mir, wie ich mit viel Geld (was ich natürlich mit YouTube verdienen werde, wenn erstmal alle meine Videos viral gehen) und einem YouTube Creator Award in einer Villa im Grünen sitze.

Nur das Gefühl, dass ich einen YouTube-Kanal machen sollte

Ich habe über nichts nachgedacht: Keine Zielgruppenanalyse, keine Überlegungen über den Namen, worum es überhaupt in dem Channel gehen soll, welche Farben ich für mein Logo verwenden sollte. Nichts.

Ich habe einfach gemacht.

Und geboren wurde Gefühle-Fühlen.

Warum YouTube?

YouTube war mir ein treuer Begleiter in meinen dunkelsten Jahren.

Besser gesagt waren es all die unerschrockenen Menschen da draußen, die den Mut hatten und immer noch haben, ihr Gesicht in eine Kamera zu halten und allen Garstigkeiten zum Trotz ihren Content über Trauma, über Lebensweisheiten, über spirituelles Erwachen, über Psychologie, all ihre eigenen Wahrheiten zum Besten zu geben, damit andere denselben Weg gehen können.

Ihr wart mir eine große Stütze

Weil ihr mir eure Wahrheiten erzählt habt, konnte ich meine Wahrheit finden.

Durch YouTube konnte ich mein eigenes Weltbild hinterfragen, konnte mich informieren, konnte lernen mir selbst zu helfen, nachdem die Psychotherapie mich im Stich gelassen hatte.

Nachdem alles in meinem Leben zusammengebrochen war (inklusive meines Ich-Verständnisses), gab es immer noch YouTube. Mit kostenlosen Meditationen, Sportübungen, Musikvideos, Channelings, Chantings, Tanzübungen, Häkelanleitungen, DIYs, Makramees, wie schneide ich einen Apfelbaum richtig, netten Geschichten, harten Geschichten, Filmauschnitten, Kochrezepten, Tarotkartenreadings, wie mache ich aus Brennnesseln eine Schnur, Live-Spacewalks der NASA, SpaceX Falcon Launches, und, und, und.

Deswegen YouTube.

Warum YouTube-Prostitution?

„Prostituere“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Sich zur Schau stellen“ .

Nein, ich ziehe mich in meinen Videos nicht aus oder biete sexuelle Dienstleistungen an.

Ich rede nur. Über Gefühle und Emotionen. Nicht gerade ein beliebtes Thema in unserer Gesellschaft.

Und ich habe das Gefühl mich zur Schau zu stellen.

Die Ware „Johanna“ wird begutachtet und bewertet

Was natürlich daran liegt, dass ich mich persönlich einbringe. ICH BIN dieser Kanal.

Ich bin keine KI oder irgendeine Rolle. Sondern ich bin Ich und dieses Ich zeige ich ungeschminkt in meinen Videos.

Und genau das ist, was es für mich so herausfordernd macht. Es gibt mir ein Gefühl von Angreifbarkeit.

Durch die Identifikation mit diesem Kanal habe ich das Gefühl, dass *keine* Likes bedeutet , dass *ich* nicht gemocht werde. Dabei werden einfach die Videos nicht gemocht und in vielen Fällen hat das sicherlich nicht direkt etwas mit mir zu tun.

Seien wir ehrlich: Für die meisten Menschen sind Gefühle und Emotionen etwas, was man besser nicht hat und sich erst recht nicht damit beschäftigt!

Fakten zu meinem ersten YouTube-Video

Mein erstes YouTube-Video habe ich „A Year Ago“ genannt, es dauert 46 Sekunden und man sieht darin Bilder von mir aus dem Jahr 2023, hinterlegt mit einem Lied von Neffex „A Year Ago“.

Bis zum heutigen Tag hat es 82 Aufrufe, 5 Likes (eigentlich nur 4, weil der eine Like von mir selbst kommt) und die durchschnittliche Wiedergabedauer beträgt 24 Sekunden.

Das bedeutet, dass dieses YouTube-Short durchschnittlich 24 Sekunden angeschaut wurde. Bei einer Gesamtlänge von 46 Sekunden! 

Willkommen bei YouTube, Johanna. Dem Ort, an dem sich Menschen für ein paar Likes prostituieren

Unbegründete Sorgen und begründete Enttäuschungen

Um ehrlich zu sein, war ich immens erleichtert, als nach dem Hochladen rein gar nichts passierte 😂 Es gab keine Likes und keine Kommentare. Perfekt!

Bis ich mich daran erinnerte, dass ich das ja aber bei YouTube hochgeladen hatte, damit etwas passierte.

Es sollte der Welt sagen: Ich bin hier! Ich strecke meinen Kopf aus meiner Traumablase und werde gesehen, ungeschminkt, ohne eine Rolle, nur mein rohes Ich.

Und dann fing der innere Kampf in mir an, ob ich Likes wollte oder nicht. Ob ich Kommentare wollte oder nicht. Ob ich gesehen werden wollte oder nicht.

Gesehen werden

5 Monate und 84 Videos später habe ich immer noch Schwierigkeiten damit gesehen zu werden.

Weil viele nicht wohlwollend sind. Weil es Menschen gibt, die sich selbst von meiner eigenen Geschichte triggern lassen und das an mir auslassen. Dabei lassen sie es in Wirklichkeit nicht an mir aus, sondern an dem, was sie in mir sehen wollen.

Wir sehen die Welt nicht so, wie sie ist. Wir sehen sie so, wie wir sind

Prostitution bei YouTube - Mein Gefühl

Aber für mich fühlt es sich persönlich an, weil es meine Geschichte ist.

Die YouTube-KI ist inzwischen sehr gut darin geworden, diese Kommentare rauszufiltern. Vor ein paar Jahren konnte man noch Kommentare lesen wie „Leute, die solche Videos machen, gehörten euthanasiert!“.

In dieser Garstigkeit befinden sich meine Kommentare nicht.

Und trotzdem spüre ich eine Angst davor, so ganz ohne Schminke und ohne eine Rolle angreifbar zu sein.

Das ist eine Angst, die in vielen von uns sitzt.

YouTube-Statistiken

YouTube stellt einem Content Creator (so nennt man die Leute, die bei YouTube Videos veröffentlichen) Unmengen an statistischen Daten zur Verfügung. Und ich hasse diese Statistiken. Ich schaue sie mir nie an.

Weil ich mich dann fühle, als würde ich mich prostituieren. Für die meisten ist YouTube ein netter Zeitvertreib, der sie von ihrem eigenen Leben ablenkt. Bloß nicht zu viel fühlen. Also lässt man sich berieseln.

Die Aufrufzahlen, die man bei jedem Video sehen kann, sagen nichts darüber aus, wie lange das Video angeschaut wurde. Die meisten meiner Videos werden maximal ein paar Minuten angeschaut, nur die aller wenigstens Viewer halten 10 Minuten durch.

Und am beliebtesten sind die Videos, in denen ich über mich selbst rede. Als wäre mein Leben eine Soap Opera. Für mich ist es aber keine Soap Opera.

Das ist mein Leben.

Und ich erzähle meine Geschichte, weil ich Mut machen will. Nicht, weil ich die Bedürfnisse nach mentaler Ablenkung befriedigen möchte.

Ich möchte etwas bewirken. Etwas verändern.

Ich möchte zum Nachdenken anregen und dazu, das Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Zu seiner eigenen Autorität zu werden.

Aber vielleicht ist das zu viel erwartet?

Und dann gibt es Likes und herzerwärmende Kommentare

Und weitaus häufiger als garstige Kommentare bekomme ich Kommentare von fremden Menschen, die ich mit meinen Videos berühren konnte.

Die sich verstanden fühlen. Die sich wiederfinden in meiner eigenen Geschichte. Und die vielleicht merken, dass sie nicht alleine mit ihren Gefühlen und Erlebnissen sind. Sondern dass sich nur niemand traut darüber zu reden.

Und für diese Menschen mache ich diese Videos.

Ich selbst möchte nicht gesehen werden. Aber ich möchte, dass jeder Einzelne sich gesehen fühlt. Auch ohne das eigene Gesicht in eine Kamera halten zu müssen und sich zu prostituieren.

Es gibt immer mehrere Seiten einer Medaille

Schauen wir der Realität ins Auge: Natürlich gibt es eine Unmenge an Gründen, warum meine Videos nicht angeschaut werden. Vielleicht ist es Ablenkung, was Leute zu YouTube treibt. Dann sind sie bei mir an der falschen Adresse.

Oder vielleicht bin ich ihnen einfach nicht sympathisch.

Vielleicht erzähle ich einfach nicht IHRE Geschichte?

Oder vielleicht sind sie einfach noch nicht so weit, sich diese Dinge anzuschauen.

Und dann muss ich mich daran erinnern, bei mir zu bleiben und das zu machen, was ich IN MIR fühle. DAS ist meine Wahrheit.

Ich möchte keinen Zielgruppen hinterherrennen und psychologische Manipulationen einsetzen, nur damit ich mich besser fühle und ich zeigen kann, wie viele Follower ich habe.

Ich möchte berühren

Aber genauso werde auch ich berührt, angenehm wie unangenehm.

Ich möchte Menschen emotional berühren
Das Leben nicht so ernst nehmen

Das Leben nicht so ernst nehmen

Das Leben nicht so ernst nehmen

Das Lebensgefühl des MCU

„Das Leben nicht so ernst nehmen“ ist das Gefühl, das ich beim Schauen von aktuellen Marvel-Filmen habe. Die actionreiche Filme erzählen mir eine Geschichte über den Ernst des Lebens, über Gemeinschaft und darüber, dass Emotionen roh ausgelebt werden. Darum beneide ich die Charaktere. Eine Emotion wird roh zum Ausdruck gebracht, in dem Moment, in dem sie sich zeigt. Und dann ist gut.

Das Leben nicht so ernst nehmen

Inhaltsverzeichnis über „Das Leben nicht so ernst nehmen“

Ein verlängertes Wochenende mit dem MCU

Ich liebe das MCU (Marvel Cinematic Universe). Die ganzen neueren Verfilmungen von Thor, Spider Man, Guardians of the Galaxy usw. ziehen mich magisch an. Ich habe sie nicht alle gesehen. Ich würde mich noch nicht mal als Fan bezeichnen. Aber ich mag die Energie, die Stimmung, in diesen Filmen. Eine Energie von:

Das Leben nicht so ernst nehmen.

Egal, in welcher Situation sich die Protagonisten gerade befinden, sie nehmen die Situation einfach nicht so ernst.

Dann sterben sie halt! So what!

Ein verrückter Irrer hält mir gerade ne Knarre an den Kopf? So what!

Du heißt Taserface und folterst mich gerade? Taserface 😂

SO WHAT!

Im Gegensatz dazu steht mein eigenes Leben. Dieses nehme ich oft viel zu ernst. Mini-Kleinigkeiten können mich manchmal in kleine Krisen stürzen, die in keiner Weise in Relation stehen zu …

irgendwas.

Ich nehme mein Leben und das, was darin passiert, oft einfach zu ernst.

Deswegen ist mein Lieblingsposter auch „Pale Blue Dot“ von Carl Sagan. Auf dem hauptsächlich schwarzen Poster sieht man ein paar helle Schlieren und darin ein kleiner bläulicher Punkt. Das ist unsere Erde gesehen aus 6 Milliarden Kilometer Entfernung, 1990 aufgenommen von der Raumsonde Voyager I.

Carl Sagan schrieb dazu:

Look again at that dot. That’s here. That’s home. That’s us. On it everyone you love, everyone you know, everyone you ever heard of, every human being who ever was, lived out their lives.[…] on a mote of dust suspended in a sunbeam.

Carl Sagen

(Schau noch einmal auf diesen Punkt. Das ist hier. Das ist zu Hause. Das sind wir. Auf ihm haben alle, die du liebst, alle, die du kennst, alle, von denen du je gehört hast, alle Menschen, die es je gab, ihr Leben verbracht.[…] auf einem in einem Sonnenstrahl verschwindenden Staubkorn.)

Auch hier geht es darum, das eigene Leben nicht so ernst zu nehmen.

Welche Bedeutung haben meine Ängste und Sorgen im Blick auf das große Ganze?

Mein Leben ist nicht mal ein Wimpernschlag in der Existenz eines Planeten.

Nur, weil ich dieses Leben lebe und nichts anderes kenne, nur aus dieser egozentrischen Sicht heraus, sind meine Ängste und Sorgen gewaltige Bergmassive, die ich überwinden muss. Aus einer Metaperspektive haben sie jedoch kaum Relevanz und sie gehen genauso schnell vorbei, wie sie gekommen sind.

Emotionen ausleben, um das Leben nicht so ernst zu nehmen

Außerdem können Emotionen in den MCU-Filmen einfach ausgelebt werden.

Ich bin gerade wütend auf jemanden? Dann hau ich ihm eine rein. Und damit verfliegt die Wut, wird ausgelebt und hat keinerlei Auswirkungen mehr auf mein weiteres Leben.

Es muss nicht darüber reflektiert werden, ob das nun angebracht ist und wie sehr man den anderen physisch als auch emotional damit verletzt. Der andere hat Scheiße gebaut, dafür bekommt er eine gebretzelt.

Fertig aus. Ganz simpel.

Und wie bei Thor und Loki klar wird, sind die meisten Beziehungen von den Extremen der Empfindungen geprägt.

Thor und Loki hassen und lieben sich. Und das zeigen sie ganz offen und keiner von beiden hat ein Problem damit. So ist das unter (Adoptiv-)Brüdern eben. Und keiner ist beleidigt oder emotional schwer verletzt, wenn diese Ambivalenz zum Ausdruck kommt.

Emotionen werden in diesen Filmen roh und ungeschminkt gezeigt

Das fühlt sich für mich sehr befreiend und befriedigend an.

Schneiden wir uns ein Stück von den Avengers ab

Kommen wir zu den Avengers. Ich liebe die Szene in „Marvel’s The Avengers“, wenn sich jeder einzelne Held und jede einzelne Heldin, bevor sie sich als Avengers definieren, seine und ihre Waffen nehmen und in den Kampf gegen Lokis Größenwahn ziehen.

Gemeinsam sind sie um einiges stärker, als jeder einzelne von ihnen es alleine jemals sein könnte.

Und was sie besonders mächtig macht, ist, dass jeder Einzelne ein Individuum ist, mit eigenen Stärken und Schwächen. Am Ende schweißt sie ihre Unterschiedlichkeit zusammen und lässt sie erkennen, dass sie nur zusammen ein vielfältiges Ganzes bilden können.

Gemeinsamkeit in der Andersartigkeit finden

Bruce Banner und seine Wut

Über Bruce Banner und den Anderen (Hulk) muss ich irgendwann mal einen eigenen Beitrag schreiben. Wer kennt nicht das Gefühl, dass die eigene Wut einen übernimmt und ausgelebt werden möchte?

Muss man das Leben also ernst nehmen?

Wir alle sollten uns manchmal ein Stückchen Ernstlosigkeit von den Charakteren des MCUs abschneiden.

Das erlaubt uns unsere eigene kleine enge Welt zu verlassen und einen Blick von oben auf unser Leben zu werfen. Und dann können wir sehen, dass es oft keinen Grund gibt, das eigene Leben so ernst zu nehmen.

Und wir dürfen mehr Gemeinschaft erlauben. Auch dafür müssen wir alle unsere eigene Welt verlassen und unseren Horizont erweitern. 

Nur so können wir alle größer und stärker werden

Emotionen jedoch ungefiltert auszuleben birgt in unserem Universum einige Gefahren.

Mir gefällt die Vorstellung, meine Emotionen einfach ungefiltert ausleben zu dürfen. Aber in unserem Universum gibt es einfach zu viele emotional schwer verletzte Menschen, die sich gegenseitig hinrichten würden, in dem Glauben, der andere sei Schuld an den eigenen Emotionen.

Diese Art der Emotionsverarbeitung setzt ein gewisses Maß an schwarz-weiß Denken voraus (es gibt böse Menschen/Götter/Wesen und es gibt gute Menschen/Götter/Wesen), aber unsere Welt ist um einiges komplexer als das.

Deswegen sollten wir noch ein wenig an gesünderen Formen der Emotionsverarbeitung arbeiten.

Das Leben ernst nehmen ... oder nicht

Was wir von STAR WARS: Episode V über Angst lernen können

Was wir von STAR WARS: Episode V über Angst lernen können

Was wir von STAR WARS: Episode V über Angst lernen können

STAR WARS behandelt das Thema Angst in einem neuen Licht. Dieses epische Meisterwerk, das seit Jahrzehnten Menschen in seinen Bann zieht, erzählt die Geschichte eines Helden, der sich der Angst vor sich selbst stellen muss. Dabei geht es um die Auseinandersetzung zwischen der dunklen Seite der Macht und der hellen Seite der Macht. Und so wie Luke Skywalker haben auch wir alle helle und dunkle Anteile in uns, die es anzuschauen gilt.

Wie können bei Star Wars viel über Angst lernen

Inhaltsverzeichnis über „Angst bei STAR WARS“

STAR WARS: Episode V – Der Eisplanet Hoth vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis

Ich schaue gerade „STAR WARS: Das Imperium schlägt zurück“. Die Rebellen um Luke Skywalker befinden sich gerade auf dem Planeten Hoth und kämpfen gegen imperiale AT-ATs.

In Filmen dieser Art bedeutet „Angst“ sich im Angesicht einer realen Gefahr, einer physischen Gefahr, zu befinden. Etwas oder jemand bedroht gerade im Hier und Jetzt das eigene Leben. Das menschliche Nervensystem fährt in diesen Momenten hoch, alles macht sich bereit auf Kampf oder Flucht.

Was ich als ungemein befriedigend empfinde ist die Tatsache, dass die Protagonisten diese Angst auch physisch ausleben können. Es gibt etwas, gegen das sie kämpfen können. Sie können mit vollem Körpereinsatz in ihr Überleben gehen und alles daran setzen, dass nicht nur sie, sondern dass auch viele andere Menschen überleben.

Es herrscht eine Gemeinschaft, man kämpft gemeinsam als Gruppe gegen die Gefahr und man weiß, dass man nicht nur sein eigenes Leben riskiert, sondern auch das von anderen. Aber so, wie man sich selbst voll einbringt, so kann man sich auf seine Mitstreiter verlassen, dass auch sie sich mit vollem Einsatz einbringen werden.

Keiner scheint wirklich Angst zu haben

Die Rebellen spüren eine Unruhe in sich, bevor der Kampf losgeht, aber diese Unruhe verwandeln sie in Kampfgeist. Sie nutzen ihr hochgefahrenes Nervensystem genau für das, wofür es entworfen wurde: 

Eine reale Gefahr mit dem Körper zu bekämpfen

Und wie inzwischen bekannt ist, regulieren soziale Kontakte unser Nervensystem. Deswegen geht das Nervensystem der STAR WARS – Rebellen nicht in die Übererregung und führt auch zu keiner Lähmung, weil sie in einer sicheren Gemeinschaft kämpfen.

Und in dieser Gemeinschaft kann man auch dem Tod ins Auge sehen.

Kein STAR WARS – Irgendwo im überhitzten Deutschland in der heutigen Zeit

Was bedeutet Angst in unserer heutigen Zeit in einem reichen Land wie Deutschland?

Wenn wir Angst haben ist selten eine tatsächliche Bedrohung unseres Lebens vorhanden. Meistens haben wir Angst vor der Zukunft, vor dem Tod, vor Krankheit, davor nicht mehr den Lebensstandard zu haben, den man aktuell lebt. Aber wer von uns kennt eine wirkliche physische Bedrohung, die man bekämpfen kann?

Die größten physischen Bedrohungen unseres Daseins sind Krankheiten, aber wie will man gegen die physisch kämpfen?

Es gibt keine Möglichkeit das Adrenalin, das bei Angst durch unsere Adern pumpt, wieder los zu werden.

Ein paar Runden zu joggen kann man kaum mit einem richtigen physischen Kampf vergleichen

Und obwohl die westliche Zivilisation alles daran setzt, die Bedrohungen für ein physisches Überleben zu minimieren, erfahren immer mehr Menschen das Gefühl der Angst.

Gibt es einen Zusammenhang?

Je weniger physische Bedrohung es gibt, desto mehr fiktive Ängste entwickeln sich in uns

Als es jede Menge physische Bedrohungen gab, fuhr unser Nervensystem hoch, wir konnten kämpfen oder flüchten, und das Adrenalin wurde ganz natürlich wieder abgebaut. Dann ging der Körper in eine natürliche Ruhephase, bevor er sich selbst regulierte bis zur nächsten Bedrohung.

Inzwischen gibt es nur noch wenige akute Bedrohungen. Und unser Nervensystem fängt an, schon bei kleinsten eventuell möglichen Bedrohungen hochzufahren.

Vielleicht weil es seine Aufgabe verloren hat? Seine Aufgabe, unsere Körper vor physischen Bedrohungen zu schützen.

Also sucht es sich seine Aufgaben selbst. Dann werden schon kleinste Bedrohungen als riesiges Problem empfunden,

Oft nur durch unsere Gedanken ausgelöst

Aber inzwischen haben wir kaum noch Möglichkeiten das Adrenalin natürlich abzubauen.

Statt in den Kampf oder in die Flucht zu gehen, setzen wir uns auf unsere Couch und lassen uns von einem technischen Gerät berieseln. Oder nehmen Pillen, die die Angstreaktion unterdrücken.

So kann auch die natürliche Entspannungsreaktion nicht einsetzen, weil der natürlich Rhythmus des Körpers unterbrochen wurde.

Anspannung, Entspannung.

Gemeinschaft in unserer Zivilisation

Und eine weitere Frage ist die Frage, ob wir noch als Gemeinschaft kämpfen? Setzt sich jemand für mich genauso stark ein, wie ich mich für diese Person einsetze? Kann ich mich auf andere verlassen, dass diese Personen dieselbe Vision haben wie ich und im Angesicht des drohenden Todes weiterhin an den gemeinsamen Werten festhalten?

Außerdem ist man inzwischen mit seiner Angst alleine. Man teilt die Angst nicht mehr mit anderen, weil sie in den meisten Fällen fiktiv ist.

Somit kann man sich nicht gegenseitig Mut machen und ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln, was das Nervensystem regulieren würde.

Stattdessen kämpfen wir alleine auf einsamer Flur gegen fiktive Bedrohungen, die meistens nur in unseren Köpfen real sind.

In STAR WARS gibt es eine Gemeinschaft, die vor Angst schützt

Wieder STAR WARS – Der Kampf gegen die Angst vor sich selbst

Auf Dagobah dann stellt sich Luke seiner Angst. Eine Angst, von der er dachte, er hätte sie nicht.

In der Konfrontation mit der dunklen Seite der Macht geht er in einen imaginären Kampf mit Darth Vader, dem er den Kopf abschlägt. Als sich der Helm auflöst, erkennt Luke darin sein eigenes Gesicht.

Man könnte jetzt meinen, dass das ein Hinweis darauf sei, dass Darth Vader sein Vater ist.

Aber in Wirklichkeit ist es ein Hinweis darauf, dass Skywalker gegen sich selbst kämpft. Er trägt die dunkle Seite der Macht ins sich und indem er diesen Teil in sich bekämpft, kann er niemals gewinnen. Denn die dunkle Seite der Macht besteht aus Hass und Ablehnung.

Nur im Akzeptieren von dem, wer Luke ist (nämlich mit hellen und dunklen Anteilen), kann er Frieden finden und den Kampf aufgeben

Und so geht es uns allen: Vor diesen dunklen Anteilen haben wir alle am meisten Angst.

Und genau diese Anteile sind es, die wir physisch nicht bekämpfen können.

Unser Nervensystem schaltet regelmäßig auf Anspannung, weil der Feind IN uns ist. Und unser System sucht sich im Außen Objekte und Situationen, die die Anspannung in uns rechtfertigen.

Dabei liegt das Problem nicht im Außen, sondern die Herausforderung liegt in uns selbst. Im Annehmen von den Menschen, die wir selbst sind.

Was wir also von STAR WARS und Luke lernen

In unserer Gesellschaft gibt es kaum noch physische Bedrohungen, deswegen findet unser Nervensystem materielle Gefahren, auf die es reagieren kann. Nur so kann es einen natürlichen Anspannungs-Entspannungs-Rhythmus aufrecht erhalten.

Das bedeutet, dass wir unser Nervensystem regelmäßig in Aufregung versetzen sollten, um ihm so seine Aufgabe zurückzugeben. Vielleicht das, was Adrenalinjunkies gerne tun.

Und ihm dann erlauben in eine natürliche Ruhephase zu gehen. Auch das gehört dazu.

Runterfahren und abschalten

Zusätzlich ist es wichtig zu erkennen, dass wir den größten Kampf immer gegen uns selbst führen. Gegen den Feind IN uns, den wir nicht wahrhaben wollen. Gegen unsere dunklen Anteile, die aber genauso Teil von uns sind, wie die hellen Anteile.

Nur, indem wir diese Anteile sehen, können wir sie beeinflussen. Solange wir sie in uns verstecken, werden SIE immer unser Leben beeinflussen. Auch die Dunkelheit ist Teil des menschlichen Lebens.

Vielleicht ist es an der Zeit, die Gesamtheit von sich selbst zu sehen und so

seine Macht wieder zurück zu gewinnen.

Möge die Macht mit euch sein

Die Macht ist nicht nur in Star Wars sondern in uns allen

Ist mein Perfektionismus angeboren?

Ist mein Perfektionismus angeboren?

Ist mein Perfektionismus angeboren?

Ich dachte immer, mein Perfektionismus wäre angeboren. Das ist halt so, nicht wahr? Inzwischen weiß ich, dass er das nicht ist, er ist konditioniert, also erlernt. Und dieses Wissen verursacht jede Menge Wut in mir. Vor allem Wut auf mich selbst, weil ich diesem Gefühl glaube, das mir einflüstert, ich müsste Dinge perfekt machen. Ganz ohne Nachzudenken mache ich die Sachen perfekt, was mich enorm viel Energie kostet. Aber muss ich diesem Gefühl wirklich glauben?

Perfektionismus: Angeboren oder erlernt?

Inhaltsverzeichnis über „Ist mein Perfektionismus angeboren?“

Mein angeborener Perfektionismus

Bum, bum, bum … der 3/4 Takt der Musik hämmert dezent im Hintergrund, immer passend zu unseren Bewegungen. AROHA® nennt sich die Sportart. Es ist eine Mischung aus simplen Tanz- und Körperbewegungen, inspiriert vom maorischen HAKA, dem traditionellen Kriegs-Tanz der Ureinwohner Neuseelands.

Wir sind eine gemischte Gruppe, die sich einmal die Woche im Rehazentrum trifft, um fit zu bleiben? Jung zu bleiben? Gesund zu werden?

Tatsächlich habe ich keine Ahnung, wieso die anderen da sind. Ich weiß nur, dass ich mit meinem Alter das Durchschnittsalter der Gruppe um einige Jahrzehnte drücke. So ist das in einem Rehazentrum. Ich hätte mich auch eher im Fitnessstudio gesehen, die bieten diesen Tanz auch an, aber dafür werden die Kosten nicht übernommen. 

Manchmal muss es der Rehakurs sein

Ich beobachte die Trainerin genau. Merke mir akribisch jede ihrer Bewegungen.

Die ersten 30 Minuten werden verschiedene Bewegungsabläufe nach und nach aneinander gereiht und dabei immer wieder wiederholt. Dann gibt es ein paar komplette Durchläufe.

Und selbst damit hatte ich die erste Zeit Schwierigkeiten: Mir zu merken, welcher Bewegungsablauf als nächstes kommt. Bereits nach 10 Minuten lies meine Konzentrationsfähigkeit auffallend nach. Mit Ach und Krach habe ich die 40 Minuten durchgehalten.

Dabei ist es für mein Ego enorm wichtig, es perfektionistisch richtig zu machen. Genau zu wissen, ob man bei diesem Bewegungsablauf den Kopf mitdreht oder man nach vorne schaut. Wo zeigt der Fuß hin? Sind die Finger angewinkelt oder hängen sie entspannt nach unten? 

Jeder Muskel meines Körpers muss exakt das tun, was er vorgemacht bekommt

Kein Wunder, dass ich anfangs Konzentrationsschwierigkeiten hatte: Diese Aufmerksamkeit kostet enorm viel psychische Kraft, muss mein Organismus doch alles im Auge behalten und gleichzeitig das Ganze direkt in eigene Bewegungen umsetzen. Ein immenser kognitiver Energieaufwand ist dafür notwendig.

Dabei interessiert es in dieser Gruppe niemanden, ob ich das alles richtig mache oder nicht. In der Sporthalle sind mindestens 30 Menschen anwesend und jeder macht so viel, wie er eben kann. Und in den seltensten Fällen sieht das aus wie bei der jungen, durchtrainierten Fitness-Trainerin, die seit 5 Jahren mehrmals wöchentlich diese Kurse gibt.

Tatsächlich denke ich, dass die meisten gar nicht wissen, dass sie es nicht richtig machen.

So what? Wir sind nicht hier, um es richtig zu machen, sondern um in unseren Körpern anwesend zu sein und uns zu bewegen.

Hörst du, Johanna? Du bist nicht hier, um es richtig zu machen

Obwohl ich das weiß, gibt es diesen inneren Drang in mir, es perfekt zu machen.

Perfektionismus, ist er angeboren?

Inzwischen weiß ich, dass dieser Drang konditioniert ist. D.h. ich habe in meiner Kindheit gelernt, alles perfekt zu machen. Es war in meiner Kindheit enorm wichtig, alles perfekt zu machen. Nur so habe ich Anerkennung und Aufmerksamkeit bekommen. Ich habe geglaubt, dass ich nur geliebt werde, wenn ich alles richtig mache.

Das war überlebenswichtig

Und dieses Gefühl des Überlebens ist in meinem Körper verblieben. Mein Organismus glaubt, dass wir („Wir“ als meine Ich-Einheit aus Körper und Persönlichkeit) nur überleben können, wenn wir alles perfekt machen. Nur dann sind wir Teil des menschlichen Rudels. Nur dann können wir Strafen entgehen.

Aufkommende Wut

Und während ich in dieser Sporthalle stehe und zum 3/4 Takt der Musik die vorgegebenen Bewegungsabläufe nachahme, werde ich wütend. Richtig wütend.

Wütend auf meine Vergangenheit, die mich zu dem gemacht hat, was ich jetzt bin. Aber vor allem wütend auf mich selbst. Dass ich immer noch diesem Scheiß-Perfektionismus nachjage, obwohl ich weiß, dass diese Konditionierung eine Lüge ist. Ich weiß, dass das nicht wahr ist. Dass ich jetzt als Erwachsene die Dinge so machen darf, wie ICH sie machen möchte.

Tränen steigen mir in die Augen.

Tränen der Wut und der Verzweiflung

Die Erkenntnis

Und auf einmal ist die Erkenntnis da:

DAS BIN ICH!

Ja, den Perfektionismus habe ich durch das Verhalten dysfunktionaler Eltern gelernt, er ist nicht angeboren. Und dafür kann ich meine Eltern hassen und den Perfektionismus ablehnen. Und ich kann jetzt, zum Trotz!, alles genau so machen, wie ICH es machen möchte und immer einen Kampf gegen diese Konditionierung führen. Immer mehr den Hass in mir schüren bis er mich vollends aufzehrt.

Oder ich entscheide mich dafür, den Perfektionismus als Stärke zu sehen und diese Stärke für mich zu nutzen. Dieser Perfektionismus ist eine Gabe:

Ich bin extrem gut im Beobachten, sehe jeden kleinsten Unterschied in den Bewegungen der Trainerin und kann diese Beobachtung auf meinen eigenen Körper übertragen.

Ich passe mich schnell an neue Situationen an und bin in der Lage, das Gelernte in Millisekunden wieder abzurufen.

Die Leichtigkeit

Und auf einmal spüre ich Leichtigkeit in meinem Körper. Keine Tränen mehr. Kein Ablehnen der Situation. Kein Ablehnen von mir selbst.

Sondern ich erkenne mich selbst, als das, was ich bin: Ein menschliches Bewusstsein, das durch Erfahrungen und Ereignisse geformt wurde. Aber ich treffe als Erwachsene im Hier und Jetzt die Wahl, WIE ich sein möchte.

Ich verwandle den nicht angeborenen Perfektionismus in eine Superpower, die ich für mich nutze. Und wenn ich während der AROHA-Stunde etwas trinken möchte, trinke ich etwas, ohne auf die Pause zu warten. Und wenn ich heute die Übungen mit weniger Kraftaufwand machen möchte, mache ich das.

Oder ich entscheide mich dafür, voll rein zu gehen. Mein ganzes Potenzial auszuschöpfen.

Weil ich das so will.

In dieser Wahl liegt eine unglaubliche Freiheit verborgen

Die Wahl zu treffen ist ein Gefühl von Freiheit
Die Sache mit der Kreativität

Die Sache mit der Kreativität

Die Sache mit der Kreativität

Wie ich gelernt habe, NICHT kreativ zu sein

Ist Kreativität angeboren? Mein gesamtes Erwachsenenleben über war ich der Überzeugung, ich wäre nicht kreativ. Kein bisschen. Rationales Denken und Auswendiglernen gaben mir Sicherheit, aber bloß nicht mich selbst einbringen! Bis ich mich mit meiner Kindheit auseinandersetzen musste und erkannte, dass ich gelernt hatte, nicht kreativ zu sein. Aber dass in mir ganz viel Kreativität vorhanden ist, die irgendwo hin möchte. Aber mit dieser Kreativität an die Öffentlichkeit zu gehen, brauchte seine Zeit.

Jeder trägt Kreativität ins sich

Inhaltsverzeichnis über „Kreativität“

Ich bin nicht kreativ

Mein gesamtes Erwachsenenleben über war ich der Meinung nicht kreativ zu sein. Ich war gut im kopieren. Perfektionistisch gut.

Ich wäre eher Kunstfälscherin geworden als selbst Kunst zu kreieren.

Also habe ich Ausbildungen und Berufe gewählt, die mir Sicherheit gaben: Erzieherin, Studium der Linguistik und der Psychologie. Ich habe mich unglaublich wohl gefühlt in Berufen, in denen ich eine klar formulierte Aufgabe hatte, die es zu erfüllen galt. Bloß nicht selbst denken und kreativ werden müssen.

Ich war gerne analytisch und rational. Das hatte eine feste Struktur, ich musste mich nicht selbst einbringen. Quasi das Auswendiglernen des Lebens.

Es gibt eben kreative Menschen auf diesem Planeten und es gibt die, die es nicht sind

Ich gehörte zu den Letzteren. So war das halt.

Es gab auch einfach keinerlei Ideen in mir, die ich hätte umsetzen können.

Erst in der Auseinandersetzung mit mir selbst und meiner Vergangenheit habe ich verstanden, woher dieses Fehlen an Kreativität kam.

Was bedeutet Kreativität für mich?

Für mich bedeutet Kreativität etwas Neues aus dem eigenen Wesen heraus zu erschaffen. Dabei kann man sich Bausteine von anderen nehmen, sich inspirieren lassen und all diese Bausteine nimmt man dann, um etwas Einzigartiges in die Welt zu gebären.

Und dieses Einzigartige muss keinerlei „Wert“ haben, außer dem, dass es hier ist und aus mir selbst heraus geboren wurde. Ich muss es nicht verkaufen können, oder brauche jemand anderen, der dieses Neue für gut befindet. Es muss keinerlei Zweck oder Sinn dienen.

Die schlichte Tatsache, dass es existiert, gibt diesem Neuen seinen Wert.

Begriffe wie „gut“ und „schlecht“ oder „richtig“ und „falsch“ können niemals im Bezug auf Kreativität angewandt werden, weil dieses einzigartige Ding, das aus meinem Wesen kommt, unique ist und somit keinerlei Vergleiche herangezogen werden können, die dieses Ding in der Polarität von „gut“ und „schlecht“ hält.

Bei Kreativität geht es weniger um das Endprodukt, als viel mehr um den Prozess des Kreierens an sich

Ich habe gelernt NICHT kreativ zu sein

In meiner Kindheit wurde sich über meine Kreativität lustig gemacht. Egal, was ich getan habe, es wurden Witze gerissen oder es wurde bemängelt, dass ich es nicht richtig gemacht habe. Es gab immer etwas zu kritisieren.

Ich glaube tatsächlich, dass es in den meisten Fällen gut gemeint war: Nur, wenn ich Dinge perfekt ausführe, werde ich in dieser Gesellschaft anerkannt, also schütze ich das kleine Mädchen namens Johanna dadurch, dass ich sie darauf hinweise, dass es die Dinge perfekter machen muss.

Das rechtfertigt in keinster Weise das tiefe Gefühl der Scham, das in mir ausgelöst wurde durch ihre Witze und Frotzeleien

Etwas, das ein Teil von mir ist, weil es aus mir heraus geboren wurde, ist nicht richtig so, wie es ist. Es muss geändert werden.

Die Story meines Lebens.

Somit wurde etwas, was mir Spaß machte, zu einem Objekt der Scham, das mir immer wieder bestätigte, dass ICH nicht richtig so bin wie ich bin.

Ich wurde nur anerkannt, wenn ich die Dinge so gemacht habe, wie sie von mir erwartet wurden. NIEMALS ANDERS! Das konnte sogar bestraft werden, mindestens mit Nichtachtung! Es war enorm wichtig, die Aufgaben exakt so auszuführen, wie die Erwachsenen es vorgaben!

Also habe ich die Kreativität abgespalten.

Keine Kreativität mehr

✅ CHECK

Mein Erwachen

Indem ich mit Ende 30 immer wieder mit diesen dysfunktionalen Verhaltensweisen meiner Eltern konfrontiert wurde, konnte ich die Struktur dahinter erkennen:

Kind ist kreativ –> wird dafür lächerlich gemacht oder ermahnt –> Kind ist nicht mehr kreativ

Dafür musste ich durch all den emotionalen Schmerz hindurch, den diese Verhaltensweisen in mir verursachten. Ich musste in die erneute Konfrontation mit meiner Mutter: Dass sie sich etwas von mir wünscht und ich es gerne so machen würde, wie ICH es für richtig halte. Um dann ihre Ablehnung zu spüren, ihre Verachtung für das Objekt, das nicht ihren Vorstellungen entspricht.

Sie wollte es auf eine bestimmte Art und Weise haben und meine Aufgabe als Kind war es, diese Aufgabe perfekt zu erfüllen, um sie glücklich zu machen.

Mein heutiges Selbst und die Kreativität

Tja, und wie sich herausstellte, schreibe ich gerne und habe Spaß daran, YouTube-Shorts zu erstellen 😁

Also fing ich mit diesem Blog an und schreibe jetzt Beiträge aus mir selbst heraus. Und ganz absichtlich weiß ich nichts über andere Blogs, wie sie aussehen, wie sie schreiben, wie ein Blog sein muss, damit andere ihn lesen.

Ich habe bereits für Webseiten getextet. Mein letzter Job war im e-Commerce. Aber das Texten von Produktbeschreibungen für einen Online-Shop hatte wenig mit meinem Verständnis von Kreativität zu tun.

Ich möchte mich nicht mehr an Vorgaben halten, die mir erzählen, wie ich Dinge zu tun habe. Stattdessen möchte ich kreativ sein. Ich möchte die Dinge so machen, wie ICH sie machen möchte.

Immer mit der Sorge, es könnte anderen nicht gefallen. Dass ich es nicht richtig mache. Dass ich es anders machen müsste, damit andere das mögen, was ich kreiere.

Und mich dann von diesem Gefühl der Sorge und der Scham zu lösen, denn nur dann entsteht Kreativität in mir:

Losgelöst von den Erwartungen der anderen

Fazit

Ich bin überzeugt davon, dass JEDER Kreativität in sich trägt. Diesen Funke bringt jeder Mensch bei der Geburt mit. Nur wird dieser Funke relativ schnell vom Umfeld ausgetreten, so dass es keinerlei Möglichkeit gibt, daraus ein Feuer zu entwickeln.

Wir sind nicht alle Maler oder Sänger oder Tänzer. Selbst der theoretische Physiker, der mit der Theorie eines Kollegen eine neue Theorie entwickelt und damit unser Weltbild revolutioniert, ist kreativ. Oder jemand, der den Raketenantrieb neu erfindet. Oder schlicht jemand, der das Büro neu strukturiert.

Wir müssen es unserem erwachsenen Ich nur erlauben, diesen Funken wieder in sich selbst zu finden. 

Mit Sauerstoff und Aufmerksamkeit kann jeder kreativ sein

Wir haben Kreativität in uns