Es war immer meine Schuld… – Über das Gefühl Schuld zu haben

Schuld zu haben ist ein tiefgreifendes Gefühl, sich nicht richtig verhalten zu haben und durch dieses falsche Verhalten verantwortlich für die Reaktionen und Emotionen der anderen zu sein. Als Kind gab mir meine Mutter immer die Schuld und ich habe ihr geglaubt. Ich habe ihr geglaubt, dass die Reaktionen und Emotionen der anderen meine Verantwortung sind. Aber ist das so?

Schuld zu haben ist ein tiefgreifendes Gefühl

Inhaltsverzeichnis über „Das Gefühl Schuld zu haben“

Schuldig sein von klein auf

Es war immer meine Schuld, wenn meine Mutter mich bestrafen musste, als ich Kind war. Weil ich mich nicht so verhalten habe, wie sie es wollte. Weil ich ICH war. Ich wollte eine eigene Person sein, wollte mit meinen Talenten gesehen und geliebt werden.

Niemals ging es darum, ob die Strafe gerechtfertigt war. Niemals hat jemand hinterfragt, ob man den eigenen Kindern den eigenen Willen und die eigene Lebensvorstellung aufzwingen darf.

Du tust nicht das, was ich will, also bist du selbst dran Schuld, wenn du dafür bestraft wirst.

Es war immer meine Schuld. Ihr ging es immer schlecht wegen mir. Sie wollte nicht mehr leben wegen mir. Weil ich so viel Arbeit gemacht habe.

Also habe ich versucht sie glücklich zu machen. Ich habe ihr Bilder gemalt, habe für sie gesungen, habe für sie getanzt. Ich habe mich akribisch an alle ihre Regeln gehalten.

Und trotzdem konnte ich sie nie glücklich machen. Ich war eine Last, eine Bürde, um die man sich kümmern musste.

Ich habe ihr geglaubt

Habe ihr geglaubt, dass ich eine Last bin. Habe ihr geglaubt, dass ich keine Daseinsberechtigung habe. Dass ich nicht ich selbst sein darf, weil ich so nicht geliebt werde. Geliebt werde ich nur, wenn ich so bin, wie die anderen mich haben wollen.

Wenn Erwachsene Erwachsenen die Schuld geben

Fiktives Beispiel:
Ich treffe eine Bekannte, die von ihrem Mann geschlagen wird und ich frage sie, warum sie sich nicht wehrt. Ihre Antwort: „Naja, er hat ja schon recht. Er hat mir gesagt, dass es ihn nervt, wenn ich die Handtücher nicht ordentlich aufhänge. Und ich hab mal wieder nicht dran gedacht und es war ein Knick in dem Handtuch. Und als er dann Heim kam, war er halt sauer.“

Als Erwachsene können wir erkennen, dass an diesem Szenario etwas nicht stimmt. Niemand hat das Recht jemand anderen zu schlagen. Und trotzdem scheint die Frau zu glauben, dass es ihre Schuld ist, dass ihr Mann sie schlägt.

Tatsächlich braucht man auch gar nicht zu argumentieren. Die Logik hinter dieser Geschichte ist Ursache und Wirkung: Sie hat es falsch gemacht, er hat reagiert. Und da er sie ja gewarnt hat, dass sie bestraft wird, wenn sie es nicht macht, wie er das will, kann die Bestrafung (die Schläge) nur ihre eigene Schuld sein.

Nichtsdestotrotz ist die emotionale Reaktion ihres Mannes nicht ihre Verantwortung.

Emotionale Reaktionen der anderen sind NICHT meine Verantwortung!

Meine Kindheit

So war es in meiner Kindheit.

Es gab nichts zu diskutieren: Ich habe mich nicht so verhalten, wie sie es wollte, also war es meine eigene Schuld, dass ich bestraft wurde.

Wenn ich jemand anderem in der Familie gegenüber erwähnt habe, dass ich Angst vor ihr hatte oder wütend auf sie war, wurde das Gefühl der Schuld verstärkt, indem für sie Partei ergriffen wurde. Ich wüsste doch, dass sie eine schwere Kindheit hatte. Ich solle sie unterstützen und ihr helfen.

Ich habe schnell gelernt, nichts mehr zu sagen. Weil ich immer die Schuld bekam.

Irgendwann wurde daraus eine tiefsitzende Angst, dass andere sehen könnten, was für ein schlechtes, bösartiges Mädchen ich bin. Die, die nie hilft und immer nur etwas will. Die, die immer Arbeit macht, aber nie dankbar ist und etwas zurück gibt.

Schuld ist nicht länger meine Aufgabe

Das Gefühl der Schuld sitzt tief und ist dabei ein enorm schweres emotionales Gepäckstück. Wenn man noch nicht bereits niedergedrückt wurde von diesem Gefühl, wie die Frau in meinem fiktiven Beispiel, dann wird man für den Rest seines Lebens schwer daran tragen.

Bis heute gibt es Teile in mir, die glauben, Schuld zu sein an den Emotionen von anderen. Dabei sind es IHRE Emotionen und somit IHRE Verantwortung.

Die Zeiten, in denen ich die Schuld von anderen auf mich geladen habe, sind vorbei.

Behaltet euren Scheiß bei euch! 

Ich trage ihn nicht mehr für euch!

Vielleicht ist es Zeit die Schuld loszulassen

Irgendwann ist es Zeit die Schuld loszulassen.

Sie kann einen nur dann niederdrücken, wenn man glaubt, dass man für die Reaktionen der anderen verantwortlich ist.

Dabei liegt es in der Verantwortung eines jeden Einzelnen, wie er reagieren möchte.

Der Ehemann muss seine Frau nicht verprügeln. Der Chef muss nicht cholerisch herumbrüllen. Die Mutter muss nicht genervt sein von ihrem Kind. All diese Reaktionen sind in der Verantwortung der Person, die sie zum Ausdruck bringt. Daran hat niemand Schuld!

Jeder kann jederzeit eine andere Wahl treffen. Und wir dürfen es diesen Menschen zutrauen, dass sie eine eigene Wahl treffen können.

Sollten sie uns trotzdem die Schuld geben, sollte man die emotionale Reife dieser Person für sich in Frage stellen und vielleicht ein Leben ohne diese Person führen.

So wie ich: Ich habe keinen Kontakt zu der Frau, die mich großgezogen hat. Sie möchte jemandem die Schuld geben. Und ich war immer ein gutes Opfer, weil ich ihr geglaubt habe.

Jetzt glaube ich ihr nicht mehr.

In der Ruhe liegt die Kraft

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