Die weggeschlossene Vergangenheit – Trauma neu gedacht

Die weggeschlossene Vergangenheit – Trauma neu gedacht

Die weggeschlossene Vergangenheit

Trauma neu gedacht

„Trauma“ kann viele Bedeutungen haben. Menschen, die an Flashbacks und körperlichen Einschränkungen leiden, haben einen anderen Blick auf dieses Wort (und vor allem ein anderes Gefühl in Verbindung mit diesem Wort), als Professionelle das tun. Ich glaube, wir alle tragen traumatische Erlebnisse in unseren Körpern. Diese weggeschlossene Vergangenheit beeinflusst unser aller Leben positiv und negativ, in den meisten Fällen völlig unbewusst. Aber vielleicht ist es Zeit, ein bewusstes Leben zu führen?

Trauma: die weggeschlossene Vergangenheit

Inhaltsverzeichnis über „Die weggeschlossene Vergangenheit“

Die Vergangenheit liegt hinter uns, richtig?

Wir schließen unsere schmerzliche Vergangenheit gerne in unsere Körper ein. Weil wir die Vergangenheit nicht fühlen wollen. Weil wir sie nicht sehen wollen.

Wir wollen ganz fest daran glauben, dass die Vergangenheit hinter uns liegt und uns nichts mehr anhaben kann.

Aber in Wirklichkeit lebt sie als unangenehme Energie in unseren Körpern weiter und treibt uns voran, positiv wie negativ. Sie führt zu Perfektionismus, Narzissmus, Krankheiten, Depressionen, Ängsten. Wie in meiner Geschichte über den Schrank der unterdrückten Gefühle, so unterdrücken wir unangenehme Gefühle aus der Vergangenheit.

Trauma?

In unserer Vergangenheit gab es Ereignisse, die so schlimm waren, dass wir die dazugehörenden Gefühle lieber weggeschlossen haben, anstatt sie zu erleben. Und dabei meine ich nicht zwangsläufig die Ereignisse, die die Psychiatrie als „Trauma“ bezeichnet.

Bedeutung von „Trauma“ in der Psychiatrie

Tatsächlich ist Trauma ein Begriff, den man nirgends als Diagnose findet. In medizinischen Fachkreisen spricht man von Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). Als Diagnosekatalog wird dafür in Deutschland am häufigsten das ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) verwendet. Bis 2026 gilt hierbei die Fassung ICD 10, wobei eine aktualisierte Version, die ICD 11, bereits seit 2022 in Kraft ist.

In der ICD 10 wird eine Posttraumatische Belastungsstörung folgendermaßen definiert:
„Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.“ (https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2024/block-f40-f48.htm).

„[…] die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“ ist ein kleiner Zusatz in der ICD 10, der verhindert, dass viele „psychiatrische Patienten“ keine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert bekommen.

Der Traumabegriff wurde inzwischen durch das ICD 11 neu definiert und erweitert

Was die Definition nicht zum Ausdruck bringt, ist, dass wir am Ende alle Individuen sind. Das bedeutet, nur weil jemand anderes kein Problem damit hat, wenn er angebrüllt wird, muss das für mich nicht gelten. Als Kind zum Beispiel werden wesentlich mehr Ereignisse als bedrohlich empfunden, weil Kinder abhängig sind von den Erwachsenen in ihrer Umgebung. Ein unabhängiger Erwachsener, der Medizin studiert und den Facharzt in Psychiatrie gemacht hat, sieht das wahrscheinlich anders.

Diagnosen sollten die Individualität eines jeden Einzelnen anerkennen, anstatt alle über einen Kamm scheren zu wollen.

Mir wurde zum Beispiel keine Posttraumatische Belastungsstörung zugesprochen, weil es nach Ansicht der Ärzte nicht ausreichend Belege dafür gab (weil ich diese Erinnerungen abgespalten hatte, das hat aber niemand in Erwägung gezogen). Erst seit drei Jahren steht, rein zufällig, in einem psychiatrischen Dokument PTBS.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich schon länger, dass meine „psychischen Probleme“ von Kindheitstraumata herrührten.

Aber ich hatte mich davon gelöst, Bestätigung bei Professionellen zu suchen und mir vom Außen anerkennen zu lassen, dass meine eigenen Gefühle stimmen. 

Keiner hat je mit mir über die Diagnose PTBS gesprochen

Mein Verständnis von „Trauma“ ist der, dass alle Ereignisse, die Gefühle in einem ausgelöst haben, die so schlimm waren, dass sie zum Zeitpunkt des Auftretens nicht erlebt werden konnten, zu einem Trauma führen können.

Oder vereinfacht gesagt: In dem Moment, wo ich mir wünsche, dass meine Kinder eine andere Kindheit erleben als ich selbst, kann man von Trauma sprechen. Ganz simpel.

„Trauma“ heißt für mich, dass Gefühle im Körper „weggeschlossen“ wurden und im Hier und Jetzt durch Krankheit, durch soziale Auffälligkeiten, durch Persönlichkeitsanteile zum Ausdruck kommen, ohne dass es dem einzelnen Individuum bewusst ist. Diese unterdrückten Gefühle beeinflussen die komplette Persönlichkeit.

Erinnerungen?

Wir wollen uns einfach nicht an die weggeschlossene Vergangenheit erinnern. Aus gutem Grund.

Ich will mich auch nicht erinnern. Aber dann zwingt mich mein Körper dazu.

Er wird immer schwächer, verkrampfter, schmerzhafter bis zu dem Punkt, wo ich die schlimme Energie aus der Vergangenheit zulasse.

Ich habe schreckliche Angst vor diesen Symptomen, aber wahrscheinlich ist meine wahre Angst die Angst vor den Erinnerungen, gar nicht so sehr die Angst vor den körperlichen Symptomen. Beides kann ich aber nicht voneinander trennen

Das körperliche Unwohlsein geht mit dem psychischen Unwohlsein Hand in Hand

Wenn ich der Energie erlaube da zu sein, schwappt sie über mich drüber wie eine Welle und reißt mich mit. Zurück in schlimme Gefühle, die mich im Hier und Jetzt heimsuchen. So musste ich lernen, die Kontrolle abzugeben.

Wenn ich die Symptome rationalisiere (d.h. mir einrede, dass das alles nicht so schlimm ist, dass das schon wieder weggehen wird, dass mir irgendwer helfen wird), werden sie lauter. Immer lauter, bis ich keine Kraft mehr habe dagegen anzukämpfen.

Und dann ist die Vergangenheit auf einmal nicht mehr weggeschlossen. Sie findet in der Gegenwart statt, weil sie immer noch in meinem Körper weiterlebt.

Nicht gehört werden

Gerade beschäftigt mich das Gefühl nicht gehört bzw. gesehen worden zu sein. Niemand wollte sehen, was in meiner Familie passierte und was das mit mir machte. Alle wollten nur meine Rolle sehen, die erzählte, dass ich alles im Griff hatte. Die Johanna brauchte nie Hilfe.

Ich war Perfektionistin, sozial, gut angezogen und hatte ordentlich gekämmte Haare.

Und alle waren froh, dass ich es im Griff hatte. So mussten sie selbst nicht aktiv werden. So mussten sie nicht in die dunklen Abgründe von jemand anderem eintauchen, obwohl sie noch nicht mal ihre eigenen dunklen Abgründe im Griff hatten.

Dieses Gefühl sucht mich am heutigen Tage heim.

Nie hat jemand zugehört. Selbst Therapeuten wollten nur das Therapieziel erreichen, mich sehen wollten sie nicht. Und so haben sie das eigentliche Problem übersehen: Dass die „Depression“ und die „Angststörung“ nur Hinweise auf etwas Tieferliegendes waren.

Dadurch habe ich gelernt, meine verletzten Persönlichkeitsanteile tief in mir zu verstecken. Sie waren unerwünscht.

Das hier geht an alle, die nicht gehört und nicht gesehen wurden:

Ich höre und ich sehe euch

Tiefe Tauchgänge

Mittlerweile tauche ich ungewollt tagtägliche in die dunklen Abgründe meiner Psyche ein, um jeden Rest meiner weggeschlossenen Vergangenheit ausfindig zu machen und die Energie zu lösen, so dass ich im Hier und Jetzt ein freies Leben führen kann. Ein Leben, dass nicht heimgesucht wird von der weggeschlossenen Vergangenheit.

Solange noch Reste da sind, werde ich weiter Vergangenes fühlen müssen. Ich hatte mir ein anderes Leben vorgestellt. Und jetzt ist es so.

Die Menschheit und ihre weggeschlossene Vergangenheit bzw. Trauma

Natürlich ist das meine persönliche Geschichte.

Trotzdem glaube ich aber, dass so gut wie alle Menschen auf diesem Planeten Gefühle aus der Vergangenheit ins sich weggeschlossen haben, nur wissen sie es nicht, oder wollen es nicht wissen.

Und diese vergangenen Gefühle beeinflussen das Leben im Hier und Jetzt. Positiv wie negativ. Unsere Gesellschaft wird gesteuert von unterdrückten Gefühle (ohne hier jetzt mit dem Finger zum Beispiel auf Politiker zeigen zu wollen).

Am Ende können wir vor der Vergangenheit nicht weglaufen, sie wird uns immer einholen, weil wir sie tagtäglich leben. Weil wir unsere Vergangenheit geworden sind.

Selbst wenn wir den Zusammenhang nicht erkennen, werden unsere Körper Symptome und Erkrankungen zeigen, die auf den ersten Blick nichts mit Emotionen zu tun haben. Die aber von der weggeschlossenen Vergangenheit verursacht werden.

Und das vielleicht Schlimmste ist, dass es nicht nur unsere eigene erlebte Vergangenheit ist. Wir tragen auch die weggeschlossene Vergangenheit unserer Eltern und Großeltern in uns. Die Epigenetik beschäftigt sich mit diesem Thema. Traumata, die andere erlebt haben, sitzen in unseren Körpern und wollen gefühlt werden.

Dabei hab ich schon genug mit meiner eigenen Vergangenheit zu tun!

Je länger wir uns wehren die weggeschlossene Vergangenheit zu fühlen, desto lauter wird sie werden. Desto mehr Krankheit wird es geben. Wie mein Körper es mir seit Jahren vorlebt. Je mehr ich mich wehre, desto unangenehmer wird es.

Vielleicht ist es an der Zeit, dass jeder Einzelne den Mut hat, sich die eigene weggeschlossene Vergangenheit anzuschauen, bevor es zu physischen Symptomen kommt.

Und dann bewusst eigene Entscheidungen zu treffen, anstatt unbewusst ein Leben basierend auf traumatischen Kindheitserlebnissen zu führen

Die Menschheit kann sich weiterentwickeln
Das Meer der Emotionen

Das Meer der Emotionen

Das Meer der Emotionen

„Das Meer der Emotionen“ erzählt die Geschichte, wie ich mich fühle, wenn die Emotionen wie riesige Wellen über mir zusammenbrechen, mich mitreißen, mich verletzen und ich mich hilf- und schutzlos dem Element Wasser ausgeliefert fühle. In mir gibt es einen ruhenden Teil. Dieser Teil weiß, dass es weitergehen wird. Dieser Teil weiß, dass das mein Weg ist. Und dann kommen die Emotionen und wirbeln alles durcheinander …

Das Meer der Emotionen

Inhaltsverzeichnis über „Das Meer der Emotionen“

Der Beginn

Ich stehe an einem Meer aus Emotionen. Das Wasser ist unruhig, tost, die Wellen schlagen hoch, Schaum tanzt auf den Spitzen.

Ich aber muss weiter. Hindurch, durch das tosende Meer, ans andere Ufer. Ich kann das Ufer sehen. Dort liegt die Erkenntnis, hell strahlend, mich rufend. Ruhig beobachte ich die Wellen, sehe das Wasser tanzen. Kleine Wassertropfen bedecken bereits mein Gesicht.

Ich aber muss weiter. Ein Funke in mir, der langsam meinen Körper erhellt, lässt die See zurückweichen, sich teilen. Langsam zieht sich das Wasser zurück und gibt den Blick frei auf den Grund, ein schmaler Pfad, der durch die unruhige See führt.

Der Pfad durch das Meer der Emotionen

Ich betrete diesen Pfad, den Blick fest auf’s andere Ufer gerichtet, bewusst den Funken in mir wahrnehmend. So marschiere ich, rechts und links von mir das tosende, lärmende Wasser, aufgetürmt zu riesigen Bergen, immer bereit mich zu verschlingen.

Die Unebenheiten des Lebens

Da, eine Unebenheit auf dem Pfad lässt mich stolpern, straucheln, ich verliere den Blick auf’s andere Ufer.

Und die Wellen brechen kreischend über mir zusammen, reißen mich mit, scheinen mich zu verschlingen. Es gibt keinen Halt, keine Sicherheit, die Macht des Wassers hat die Herrschaft über meinen Körper erlangt. Schmerzhaft spüre ich die Gewalt dieses ungezügelten Meeres, hilflos ausgeliefert, ohne Schutz.

Ich versuche mich irgendwo festzuhalten, etwas zu greifen, mich an die Wasseroberfläche zu kämpfen, um atmen zu können. Stattdessen drücken mich die Wassermassen gnadenlos nach unten, geben mir keinen Freiraum, nehmen alles von mir ein. Der Funke in mir zieht sich wieder zurück, während das Meer aus Emotionen mich tanzend davon trägt in eine 

ungewisse Zukunft ohne Wiederkehr

Das letzte Aufbäumen

Verzweifelt greife ich um mich, versuche etwas zu fassen zu bekommen. Da, eine scharfe Kante. Ich kralle meine Fingernägel hinein, während das Wasser um mich tost, an mir zerrt, mich weiterreißen möchte. Mit aller Macht versucht das Meer der Emotionen mich zu verschlingen. Ich spüre wie meine Kraft schwindet. Meine Finger sind inzwischen blutig aufgerissen. Den Schmerz spüre ich kaum noch. Mein zerschundener Körper wird taub.

Und ich gebe den Kampf auf…

Überfordert sein mit dem Leben

Die Stille

Langsam tritt Stille ein. Das Wasser beruhigt sich, die Wellen schlagen nicht mehr so hoch, ich treibe an der Wasseroberfläche. Die Sonne kitzelt mein zerschundenes, nasses Gesicht. Ich kann atmen.

Sanft trägt mich das Wasser zum anderen Ufer. Wie einen guten alten Freund setzt es mich dort ab. 

Und ich erkenne, dass mich das Meer der Emotionen viel weiter getragen hat, als ich zu Fuß in so kurzer Zeit hätte bewältigen können.

Entschlüsselung dieser Metapher

Wenn mich etwas emotional aufwühlt, ist es wie das Meer aus Emotionen. Es brodelt, die Wasseroberfläche kräuselt sich unruhig, Schaum bildet sich und mein ganzer Körper ist in Aufregung. Durch Atmen und das bewusste Im-Hier-Und-Jetzt-Sein teile ich dieses brodelnde Meer, so dass es meinem Körper nichts mehr anhaben kann. Es ist weiterhin in mir vorhanden, aber ich lasse es nicht die Herrschaft über mich erlangen, kontrolliere es durch mein Bewusstsein.

Wenn dann jedoch etwas Unvorhergesehenes geschieht und meine Konzentration abgelenkt wird, brechen die Wassermassen über mir zusammen und reißen mich mit. Erst wehre ich mich dagegen, empfinde Widerstand, kämpfe dagegen an. Ich möchte all das nicht fühlen müssen. Ich möchte nicht, dass das Meer der Emotionen die Gewalt über mich und mein Leben übernimmt. Viel zu oft ist das schon passiert und dieses ungezügelte Meer lässt keinen Stein auf dem anderen.

Aber früher oder später erkenne ich im Meer meinen alten guten Freund, der mich ein Stück mitnimmt auf dem Weg der Erkenntnis, um mir diesen langen und beschwerlichen Weg etwas zu erleichtern.

Das Meer der Emotionen ist nicht mein Feind, den ich bekämpfen muss.

Das Meer der Emotionen ist mein Begleiter in diesem Leben, und es unterstützt mich darin meinen Weg zu finden.

Das Meer der Emotionen ist mein Begleiter
Mitleid vs. mitfühlen

Mitleid vs. mitfühlen

Mitleid vs. mitfühlen

Worin liegt der Unterschied zwischen Mitleid und mitfühlen? Besonders für die Betroffenen, die bemitleidet werden … oder mit denen man mitfühlt? Wer entscheidet darüber, dass der andere Leid empfindet? Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass der andere Leid empfindet oder interpretiere ich da nicht etwas hinein, was der andere vielleicht gar nicht selbst so sieht? Ist Mitleid also überhaupt angebracht?

Mitleid oder mitfühlen?

Inhaltsverzeichnis über Mitleid vs. mitfühlen

Perspektive einer Betroffenen – Ich

Mitleid empfinde ich als arrogant und herablassend. Das liegt daran, dass Mitleid bedeutet, jemand anderes bewertet mein Leben und urteilt, dass mit meinem Leben etwas nicht stimmt, was es zu bemitleiden gibt.

Dabei ist es MEIN Leben. Da gibt es kein Urteil darüber, weder von mir noch von anderen. Es gibt kein „richtiges“ Leben auf diesem Planeten. Jeder führt sein eigenes Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen, mit seinen körperlichen und emotionalen Schmerzen.

Niemand hat das Recht darüber zu urteilen, wie ein Leben auszusehen hat. Und deswegen empfinde ich es als unangenehm, wenn Leute mir gegenüber Mitleid zeigen: Teilnahmsvoll meine Hand nehmen und mir sagen, wie stark ich bin.

Mitfühlen ist toll

Ich weiß, dass es nicht die Absicht der Leute ist, arrogant und herablassend zu sein. Eigentlich möchten sie mitfühlen. Aber hinein zu interpretieren, dass jemand leidet, nur weil er Schmerzen hat oder 20 „Krankheiten“, ist nicht mitfühlen.

Mitfühlen bedeutet, ich spüre in den anderen hinein

Mitfühlen bedeutet, ich spüre in den anderen hinein und sehe, wie diese Person mit der Situation umgeht. Nicht, ich interpretiere, dass diese Person leiden muss, weil ich in solch einer Situation leiden würde.

Ihr könnt nicht wissen, wie ihr in solch einer Situation empfinden würdet, solange ihr nicht selbst in dieser Situation seid.

Alltagsbeispiel für Mitleid

Ihr erfahrt durch gemeinsame Freunde, dass eine Bekannte von euch ihren hochrangigen, gut bezahlten Job in einer großen Firma aufgrund von Stellenkürzungen verloren hat.

Als ihr sie das nächste Mal trefft, nehmt ihr ganz mitfühlend ihre Hand und sagt: „Lisa, ich hab das mit deinem Job gehört. Das tut mir ja so leid! [Mitleid!] Gerade jetzt, da ihr den Kredit für euer neues Haus abbezahlen müsst und grade euer zweites Kind auf die Welt kam!“.

Die Bekannte schaut euch ganz irritiert an: „Da gibt es nichts zu bemitleiden! Ich bin sooo froh, dass ich da nicht mehr arbeiten muss! Ich hatte einen narzisstischen Chef, der hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Und durch die Kündigung von Seiten der Firma hab ich sogar noch ne Abfindung ausbezahlt bekommen!“.

Analyse Mitleid-Beispiel

Lisa ist erleichtert darüber, dass sie diesen Job nicht mehr machen muss.

Statt jedoch offen in das Gespräch hinein zu gehen und zu fühlen, was Lisa eigentlich selbst über diese Situation empfindet, geht ihr voreingenommen in das Gespräch mit dem Gedanken: Oh Gott, Lisa wird am Boden zerstört sein, hat bestimmt Angst, leidet und ich sichere ihr meine Unterstützung zu, indem ich ihr mitteile, wie leid mir das tut.

Selbst wenn Lisa unglücklich mit der Situation wäre, bräuchte sie euer Mitleid nicht.

Sie mag Unterstützung brauchen, emotionale, finanzielle, materielle Unterstützung. Aber mit eurem Mitleid packt ihr noch ein schweres Gefühlspäckchen mit hinzu.

Mitleid projizieren

Wenn ihr Leid auf andere projiziert, schafft ihr ein emotionales Gefälle zwischen euch, dem Interpretierer, und dem anderen, dem Leidenden.

Zwischen den Zeilen sagt ihr: „Ich, aus meiner gehobenen (gesünderen, reicheren, schlaueren, machtvolleren…) Position sehe auf dich hinab und erkenne aus dieser Metaperspektive, dass du kein gutes (gesundes, reiches, unabhängiges….) Leben führen kannst, so wie du lebst. Dein Leben müsste anders sein! Und durch mein Mitleid tue ich so, als ob ich mitfühlen würde.“

Dabei agiert der Mitleider aus einer egozentrischen Perspektive ohne in Betracht zu ziehen, dass die andere Person es anders empfinden könnte.

Mitfühlen ist ein empathischer Akt, in dem ich anerkenne, dass meine Perspektive nicht die einzige Wahrheit ist, sondern dass jeder seine eigene Wahrheit im Bezug auf sein eigenes Leben hat.

Leiden heißt, das abzulehnen, was sich gerade in diesem Moment präsentiert. Diese Ablehnung führt zu Leid.

Müsst ihr Mitleid mit mir haben oder könnt ihr mit mir mitfühlen?

Ich leide nicht.

Es gibt Momente in meinem Leben, in denen ich Leid empfinde und das sind die Momente, in denen ich mein Leben, so wie es ist, ablehne. Ablehnung führt zu Leid.

Aber selbst in diesen Momenten brauche ich nicht das Leid von anderen.

Das ist euer Leid, bitte behaltet es bei euch und stülpt es mir nicht über. Dieses Kostüm ist mir einfach zu eng.

Ich würde mich freuen, wenn ihr mit mir mitfühlt. Aber das ist kein mentaler Akt, sondern ein Akt aus einem tiefen Gefühl heraus. Dann spürt ihr einfach, wie es mir geht.

Wenn ihr mitfühlt, werdet ihr sehen, dass es nichts zu leiden gibt, auch wenn ich viele Diagnosen mit physischen und psychischen Schmerzen habe.

Mitleid ist nicht dasselbe wie mitfühlen
Das Minenfeld der unangenehmen Gefühle

Das Minenfeld der unangenehmen Gefühle

Das Minenfeld der unangenehmen Gefühle

Das Bild eines Minenfeld der unangenehmen Gefühle steht stellvertretend für das, was ich erlebe, wenn ich aus dem System der Diagnosen und Medikamente aussteige. Diese Welt des Scheins ist umgeben von unzähligen Minen. Und ich arbeite mir einen Weg hindurch, Schritt für Schritt. Weil ich tief in mir weiß, dass es etwas hinter diesem Minenfeld gibt. Etwas weitaus Größeres, als mein Verstand es sich vorstellen kann.

Unangenehme Gefühle verbergen sich im Minenfeld

Inhaltsverzeichnis über das Minenfeld der unangenehmen Gefühle

Die Welt, wie ich sie bis dahin kannte

Meine Welt ist von einem Minenfeld aus unangenehmen Gefühlen umgeben.

Egal, in welche Richtung ich laufe, irgendwann hört die Welt, wie ich sie kenne, auf und das Minenfeld beginnt.

Wenn ich die Grenze zu diesem Feld überschreite, treten Symptome in mein Leben, physischer und/oder psychischer Natur, die mich quälen.

Immer wieder stoße ich gegen diese unsichtbare Grenze und werde mit meinen tiefsten Ängsten aus Schmerz und Unwohlsein konfrontiert.

Ich schrecke jedes Mal davor zurück.

In diesem Minenfeld scheint meine persönliche Hölle auf mich zu warten.

Ich habe es mit Medikamenten versucht, bin brav von Arzt zu Arzt, von Klinik zu Klinik gezogen, aber nichts hat dauerhaft das Minenfeld verschwinden lassen. Die Pillen haben mir nur die Sicht darauf vernebelt, aber es war immer da.

Egal, wohin ich wandere, irgendwann stoße ich auf das Minenfeld. Die Symptome unterscheiden sich, je nach Lage des Feldes, aber im Grunde bleibt das Unangenehme gleich, in Form von Krankheit, Verlust, Ängsten, Traurigkeit.

Es ist schwierig bei den unterschiedlichen Symptomen einen roten Faden zu entdecken, und zu erkennen, dass all diese Erscheinungen im Grunde dasselbe sind: Ein Ruf von jenseits des Minenfeldes. Eine Einladung, verpackt in hässlichem Geschenkpapier, an dem ich mich schneide, sobald ich versuche es zu öffnen.

Mein Weg durch das Minenfeld

Ich stehe am Rande des Feldes und spüre seine Anziehungskraft. Weder kann ich sehen wie weit das Feld reicht, noch was dahinter liegt. Ich gehe einen Schritt in das Feld hinein …

Kawumm, die erste Mine geht hoch, reißt mich in tausend Stücke, lässt kein Atom meines physischen Körpers an seinem Platz. Schmerzen und Verzweiflung treten aus den entstandenen Wunden aus. Und ANGST. Jede Menge ANGST. Wo kommt die ganze Angst nur her? Seit Jahrzehnten in meinem Körper eingeschlossen bahnt sie sich jetzt ihren Weg in mein Bewusstsein.

Die Ärzte nennen es Depression und Angststörung. Verordnen Medikamente und Klinikaufenthalte. Aber das Minenfeld und die Wunden bleiben. Irgendetwas zieht mich immer wieder zu dem Minenfeld.

Ich hasse es … und gleichzeitig kann ich mich der Anziehungskraft des Minenfelds nicht erwehren.

Kawumm, die nächste Mine geht hoch, Multiple Sklerose, Kawumm, emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, Kawumm, Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung. Inzwischen bin ich mitten im Minenfeld und es gibt kein Zurück mehr.

Irgendetwas ist dort in der Ferne. Wie eine Fata Morgana entzieht es sich meiner Aufmerksamkeit sobald ich näherkomme, aber ich weiß, dass dort etwas existiert jenseits meiner Vorstellungskraft.

Manchmal kann ich hinter die Minen schauen, wie ein Gravitationslinseneffekt biegt sich das Licht und zeigt mir eine Welt ohne Angst, ohne Leid und ohne Schmerz. Es gibt kein Zurück mehr.

Wenn die unangenehmen Gefühle zu schlimm werden

Gelegentlich, wenn alles zu schlimm wird und ich glaube, es nicht weiter ertragen zu können, hole ich eine der Pillen von damals heraus. Aber diese haben ihre Anziehungskraft auf mich verloren. Dort, wo sie herkommen, gibt es nichts mehr für mich.

Ich schaue nach vorne und sehe ein unendlich scheinendes Feld vor mir liegen. Ich bin ganz allein. Allein wandere ich durch dieses Minenfeld. Es ist MEIN Minenfeld, kein anderer kann es für mich oder mit mir durchqueren.

Manchmal treffe ich andere Personen, weiß aber, dass sie auf einem anderen Pfad als ich unterwegs sind. Manche grüßen freundlich, andere sind mürrisch.

Ich laufe weiter, ohne zu wissen, wo mein Weg mich hinführt oder wo die nächste Mine auf mich wartet. Und die Mine wird kommen. Sie sind gut versteckt und treffen mich oft unvorbereitet, obwohl ich längst wissen sollte, dass sie irgendwo im Boden schlummern. Dann breche ich für einen Moment zusammen, alle Kraft weicht aus meinem Körper und ich kann keinen Schritt mehr vor den anderen setzen. Wenn mich die Detonationswelle durchlaufen hat, rappel ich mich wieder auf und gehe weiter.

Einem unbekannten Ziel entgegen, ohne eine Karte.

Hinter dem Minenfeld der unangenehmen Gefühle liegt ein großes Ziel
Brief an meine Eltern

Brief an meine Eltern

Brief an meine Eltern

Wie würde ein Brief an die eigenen Eltern aussehen, wenn man eine traumatische Kindheit hatte? Was würde die Erwachsene in mir gerne ihren Eltern sagen, nachdem sie sich durch Jahre der Traumaarbeit hat kämpfen müssen, ausgelöst durch den Umgang von überforderten Erwachsenen mit ihrem sensitiven Kind? Nichts davon könnte ich ihnen ins Gesicht sagen. Ich habe gelernt zu schweigen und alles hinunter zu schlucken….bis ich fast daran erstickt wäre…

Verarbeitung von Emotionen

Liebe Mama, lieber Papa!

Mit Sicherheit war ich kein einfaches Kind. Ich war laut und energetisch, emotional und chaotisch, trotzig und erfinderisch, wütend und lachend.

Ich war einfach Ich.

Ihr habt mich als anders wahrgenommen. Und ihr habt gegen mich und meine Andersartigkeit gekämpft. Durchgehend habt ihr versucht mich in eure Box zu quetschen, aber da habe ich nie hineingehört.

Ihr habt mich gelehrt, dass das Leben Kampf bedeutet. Und Angst. Die Erde ist ein gefährlicher Ort, vor dem man sich schützen muss. Und man ist nur willkommen, wenn man sich in die Box begibt, wenn man sich anpasst.

Anpassung ist wichtig.

Ihr habt mich gelehrt, was ihr von euren Eltern gelernt habt. Zeig bloß nicht dein wahres Ich, verstelle dich, passe dich an. Du wirst es bereuen, wenn du dich nicht so verhältst, wie wir das wollen. Niemand wird dich so lieben, wie du bist. Niemand kann dich so lieben, wie du bist.

Und ich habe versucht mich anzupassen. Habe das gemacht, was von mir erwartet wurde. Habe eine Ausbildung gemacht, war im Ausland, Studium.

Aber dabei sind Teile von mir abgestorben. Teile, vor denen ich jetzt Angst habe, weil sie anders und anscheinend nicht liebenswert sind. Teile, von denen ich nicht mal wusste, dass sie zu mir gehören, weil ich sie vor lauter Angst abgespalten hatte.

Ich weiß, dass ihr das gemacht habt, was ihr von euren Eltern gelernt habt.

Und eure Eltern haben dasselbe von ihren Eltern gelernt. So wird es von einer Generation an die nächste weitergegeben.

Jetzt zeige ich mit dem Finger auf euch und klage euch an. Klage euch an, weil ihr selbst solche Angst vor euren eigenen nicht-liebenswerten Anteilen in euch habt, dass ihr nicht sehen konntet, welche Konsequenzen euer Verhalten hat. Wahrscheinlich wolltet ihr auch nicht sehen, welche Konsequenzen euer Verhalten auf ein abhängiges Lebewesen hat.

Ihr könnt nicht aus eurer Haut, seid gefangen in eurer eigenen Box, in die ihr als Kleinkinder gesteckt wurdet. Diese Box gibt euch Sicherheit, egal, wie eng es darin auch sein mag.

Wir alle leben in unserer eigenen Box, in unserer eigenen Büchse der Pandora. Und wir alle haben Angst vor der Büchse und können nicht erkennen, dass wir tatsächlich in der Büchse leben. Und um da raus zu kommen, muss man die Büchse öffnen und all die unangenehmen Anteile müssen angeschaut werden.

Wir können die Vergangenheit nicht ändern.

Die Vergangenheit war wie sie war und wir alle haben unsere Erfahrungen gemacht. Bis heute hallen die Erinnerungen an damals durch unsere Körper. Sie gehen nicht weg bis wir sie uns mutig angeschaut haben.

Ich lade euch heute ein, sie euch anzuschauen. Ihr müsst keine Angst davor haben. Seid mutig. Diese Anteile sind liebenswert und sie dürfen einen Platz in eurem Leben einnehmen.

Ihr habt Verhaltensweisen gezeigt, deren Konsequenzen bis heute reichen. Aber ihr habt jetzt die Wahl diese Verhaltensweisen zu betrachten und euch anders zu entscheiden. Ihr könnt euch jeden Moment eures Lebens anders entscheiden.

Jede neue Entscheidung birgt eine neue Zukunft mit anderen Konsequenzen.

Seid mutig! Trefft eine neue Wahl. Für uns alle und alle folgenden Generationen.

Kontakt mit sich selbst und mit anderen