Tsunami-Wut – Wenn Wut zu Gewalt wird

Tsunami-Wut – Wenn Wut zu Gewalt wird

Tsunami-Wut

Wenn Wut zu Gewalt wird

Die Tsunami-Wut ist eine Ausdrucksform des Gefühls der Wut, die zu körperlicher Gewalt aufruft. Sie ist besonders zerstörerisch und sie möchte physisch verletzen. Kein Stein bleibt auf dem anderen, wenn diese Riesenwelle angerauscht kommt und alles mit sich reißt. Über den Ursprung und die Geschichte, die die Tsunami-Wut erzählt, soll es in diesem Beitrag gehen. Denn im Bewusstwerden liegt der Schlüssel zur Freiheit.

Tsunami-Wut möchte ausgelebt werden, wenn nötig durch Gewalt

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Der Zerstörer unter den Wutformen

Wir alle kennen irgendeine Form von Wut: von irritiert sein, über genervt sein, verärgert, wütend bis hin zu Hass.

Und dann gibt’s da das, was ich Tsunami-Wut nenne.

Die Tsunami -Wut ist extrem laut und kommt angerast wie eine Tsunami-Welle. Im Gegensatz zu Hass ist sie aber sehr kurzfristig und richtet sich meist gegen eine Person oder eine Situation im Hier und Jetzt.

Hass dagegen ist etwas lange schwelendes und richtet sich meist gegen bestimmte Personengruppen ohne unbedingt ein Individuum der Gruppe zu kennen.

Die Tsunami-Wut ist die Panikattacke auf dem Wutspektrum. Diese Wut kommt schnell, anscheinend überraschend und lässt einen rot sehen.

Der präfrontale Kortex, der rationale Verstand, wird ausgeschaltet und man kann die Wut nur noch am Gegenüber auslassen. Die Welle verschluckt einen komplett, wirbelt einen durch und spuckt einen zerstört an Ende wieder raus.

Und genauso schnell wie sie gekommen ist geht sie auch wieder.

Diese Form der Wut ist enorm zerstörerisch. Sie will rausgelassen werden und sie will verletzen.

Sie möchte den anderen so sehr verletzen, wie diese Person einen selbst verletzt hat. Das kann verbal sein bis hin zu physischen Verletzungen oder sogar Mord.

Der körperliche Aspekt, der zu Gewalt aufruft

Der körperliche Aspekt spielt bei dieser Wut eine große Rolle. Sie möchte physisch verletzen. Sie möchte jemanden treten, schubsen, schlagen.

Die Tsunami-Wut will körperlich ausgelebt werden, bis hin zu Gewalt

Das Ausleben kann ganz unterschiedlich sein: Manche schlagen gegen die Wand oder werfen mit Dingen um sich. Sie reden sehr aggressiv und werden immer lauter, je lauter der Tsunami in ihnen wird.

Diese Wut kann schon durch Kleinigkeiten ausgelöst werden. Wenn jemand anderer Meinung ist oder einfach nur etwas sagt, womit der Betroffene nicht einverstanden ist. Aber vor allem kommt sie, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Das ist der Haupttrigger.

Der Ursprung der Tsunami-Wut

Hier findet man den Ursprung. Die Wut hat nämlich wenig mit dem Hier und Jetzt zu tun, sondern sie stammt aus der Kindheit, als man sich gegen Autoritätspersonen nicht wehren konnte und nicht durfte.

Als Kind war man schutzlos der Willkür der Erwachsenen ausgeliefert und man musste die Wut über die Ungerechtigkeiten unterdrücken, um überleben zu können.

Und diese Wut hat sich wie in einem Dampfkessel angestaut und tritt im Erwachsenenalter als Tsunami-Wut ans Licht. Und sie wird immer dann ausgelöst, wenn eine Situation im Hier und Jetzt den Organismus an die ursprüngliche Unterdrückung erinnert, ein klassischer Flashback.

Außerdem geht es immer um das Gefühl der Abhängigkeit, dass man sich hilflos ausgeliefert fühlt und sich nicht wehren kann.

Für die Betroffenen selbst jedoch erscheint die Wut und ihr Auslöser im Hier und Jetzt zu sein.

Die Tsunami-Wut ist eine alte Wut aus der Vergangenheit

Vorkommen in der Bevölkerung

Diese Form der Wut wird häufig von Männern ausgelebt, da nennt man es gerne cholerisch.

Wenn Frauen solch eine Wut zeigen, diagnostiziert die Psychiatrie gerne Borderline. Die offizielle Diagnose lautet emotional-instabile Persönlichkeitsstörung.

Vor 120 Jahren nannte man das weibliche Hysterie.

Ein Leben mit der Tsunami-Wut, ganz ohne Gewalt

Ich wurde mit Borderline diagnostiziert, auch wenn das für mich keine Wahrheit hat. Ich identifiziere mich nicht mit dieser Diagnose, sie macht mich nicht aus.

Bei mir z.B. richtet sich diese Wut ausnahmslos gegen die ursprünglichen Verursacher des Abhängigkeitsgefühls, meine Eltern.

Und diese Wut fühlt sich sehr unangenehm im Körper an, weil man so gut wie nichts dagegen machen kann. Man kann nur bewusst dabei sein und sich klar machen, dass man die Wut nicht an einem anderen Lebewesen rauslässt, sondern sie anders kanalisiert.

Und es ist wichtig sie zu kanalisieren, sonst verbleibt sie als Krankheit im Körper, wie ich selbst erfahren musste. Wenn ich mit anderen Autoritätspersonen dieses Gefühl der Ungerechtigkeit habe und diese Abhängigkeit zu Wut wird, werde ich nicht von der Tsunami-Wut überrollt.

Werdet euch über die Tsunami-Wut und ihre Geschichte bewusst

Man muss sich selbst sehr gut kennen lernen, um frühzeitig zu erkennen, dass die Tsunami-Welle angerauscht kommt.

Wie bei dem Tsunami in Thailand im Dezember 2004: Die meisten Menschen wussten nichts davon, dass sich das Meer vor einer Tsunami-Welle zurückzieht, bevor die Welle angerauscht kommt. Und als die Welle kam, waren sie alle überrascht.

Und so ist das auch mit der Tsunami-Wut. Man kann spüren, wenn sie kommt. Der Körper schickt Warnsignale. Und wenn man auf den Körper hört, kann man sich aus der triggernden Situation herausziehen, bevor die Welle alles übernimmt.

Sie wird trotzdem kommen.

Aber man kommt nicht in die Versuchung der Wut zu glauben und sie an anderen auszulassen.

Die Projektion der Wut

Die Projektion der Wut

Die Projektion der Wut

Die Projektion der Wut – Das bedeutet, wütend sein in seinem ganzen Spektrum … von genervt sein bis zum Empfinden von tiefem Hass… Liegt der Auslöser tatsächlich im Hier und Jetzt? Weil mir gerade jemand „etwas angetan hat“? Weil jemand meine Grenzen überschritten hat? Oder sind das nur Symptome einer tieferliegenden emotionalen Wunde, in die jemand hineinsticht?

Die Wut in uns

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Direkt morgens wütende Gedanken

Alter, das mit den Mülltonnen nervt mich tierisch! Das ältere Pärchen in der hinteren Wohnung hat ’ne ganze Papiermülltonne für sich alleine und ich muss mir mit vier anderen eine teilen. Erst in 3 Wochen wird die Tonne geleert und sie ist jetzt schon voll, weil die alle ihre Pizzakartons nicht klein machen und alles bei Amazon bestellen.

Aber ich selbst kann nichts ändern, Mülltonnen sind Sache des Vermieters, da haben Mieter nichts zu sagen. Boah, das macht mich echt wütend, dass der einfach nichts macht. Der hebt seine Hände und sagt: „Hm, ich weiß auch nicht!“. Am besten ruf‘ ich ihn direkt an und frag‘ mal scharf nach. Nur deswegen muss ich jetzt ständig über die Mülltonnen nachdenken, das war schon die ganze Zeit ein Problem, weil ich zwei Wochen lang gar keine Mülltonnen hatte. Ich hab‘ echt Besseres zu tun!

Das kann echt nicht sein!

So hänge ich meinen Gedanken nach während ich in der kühlen Morgenluft joggen gehe. Und gleichzeitig beobachte ich mich dabei, wie ich mich immer mehr in Rage denke, immer genervter werde und diesen Drang verspüre, jetzt direkt auf der Stelle mein Handy zur Hand zu nehmen und den Vermieter anzurufen.

Dabei wird mir klar, dass meine Wut nicht wirklich etwas mit den Mülltonnen zu tun hat. Ich bin mit dem Gedanken aufgestanden, dass mein Vater das Auto haben will, das ich gerade fahre. Und ich will sein Auto nicht. Ich will einfach nicht! Etwas in mir schreit auf bei der Vorstellung, ich müsste mit seinem Auto fahren (es hat etwas mit dem Tod meines Hundes zu tun). Ich will das Auto, das gerade vor meiner Haustür steht, weiterfahren.

Dabei kommt dieses Gefühl der hoffnungslosen Abhängigkeit in mir hoch. Ich spüre eine enorme Hilflosigkeit, das Gefühl mich nicht wehren zu können, mich nicht wehren zu dürfen. Dieses Gefühl, dass ich kein Recht habe etwas gegen die Autoritätsperson zu sagen, weil ich immer den Kürzeren ziehen werde.

Und selbst in diesem Konflikt mit meinem Vater kann ich noch tiefer graben und ich weiß, dass diese Gefühle nichts mit den Autos zu tun haben, sondern mit Erlebnissen in meiner Kindheit, die ähnlich waren.

Erlebnisse in der Kindheit

Als Kind ist man komplett abhängig von Erwachsenen. Wenn man etwas braucht, muss man früh lernen, wie man es bekommt. Bei meinem Vater waren das Argumente. Gefühle zählten nicht. Ich kann nicht einfach sagen: „Ich möchte dein Auto nicht, weil es sich nicht gut anfühlt. Ich will das andere.“ Gefühle hatten in der Welt meines Vaters keine Wahrheit. Und in diesem Dilemma befinde ich mich gerade.

Ich möchte einfach Sicherheit haben, dass ich das, was da ist, auch da bleibt und es mir nicht von irgendjemandem weggenommen werden kann. Diese Sicherheit gab es in meiner Kindheit nicht und in ähnlichen Situation im Hier und Jetzt spüre ich wieder diese Hilflosigkeit, das Gefühl des Ausgeliefertseins.

Und was hat das mit Mülltonnen zu tun?

Ich kann mich gegen meinen Vater nicht wehren. Das ist ganz tief eingeimpft, alles wurde darauf konditioniert, mich nicht gegen Autoritätspersonen zu wehren, von denen mein physisches Überleben abhängt.

Das Gefühl der Hilflosigkeit, das mich einengt, wird zu dem Gefühl der Wut, die sich frei kämpfen möchte.

Aber diese Wut darf ich gegenüber der Person, die sie verursacht, in diesem Fall mein Vater, nicht rauslassen. Also sucht sie sich einen anderen Katalysator. Den Vermieter und die Mülltonnen. Dem werde ich es zeigen! Endlich hat die Wut eine Möglichkeit rausgelassen zu werden. Und meine Gedanken stützen den Glauben, dass allein der Vermieter die Schuld daran trägt, dass mich die Mülltonnen nerven.

Die Projektion der Wut: Was tatsächlich passiert

Die Wut, die ich auf den Vermieter habe, wurde durch eine Situation im Hier und Jetzt ausgelöst. Ja, es ist die Aufgabe des Vermieters für ausreichend Mülltonnen zu sorgen. Aber in Wirklichkeit bin ich nicht wütend auf den Vermieter, sondern auf meinen Vater. Da ich diese Wut gegenüber meinem Vater aber nicht zeigen kann, weil mein gesamtes System in der Kindheit darauf konditioniert wurde, sucht sich die Wut eine andere Möglichkeit gehört zu werden. Da kommt so eine Mülltonnen-Problematik genau recht.

Ich habe mein Handy nicht in die Hand genommen, weil ich weiß, dass das nur eine kurzfristige Symptomerleichterung bringen würde. Ich würde die Wut an einer anderen Person abreagieren bis die nächste Situation kommt, in der mich „jemand wütend macht“. Dabei kommt die Wut nicht aus dem Hier und Jetzt, sondern aus lang vergangenen Zeiten. Aber da ich sie damals nicht rauslassen konnte, findet sie jetzt immer wieder Wege sich Gehör zu verschaffen.

Allein diese Erkenntnis hat mein Denken zum Stillstand gebracht. Ich weiß, dass mich niemand wütend machen kann, außer ich lasse es zu.

Tatsächlich gibt es im Hier und Jetzt noch nicht mal einen Konflikt mit meinem Vater. All die Wut, all die Gefühle, werden gerade von meinen Gedanken ausgelöst. Besonders im Bezug auf meine Eltern sind viele emotionale Verletzungen vorhanden, die ich bis heute ihnen gegenüber nicht ansprechen kann. Ich kann einfach nicht. In Konfliktsituationen werde ich wieder zu diesem hilflosen, abhängigen Kind, das ich früher war, ohne irgendwelche Rechte. Bis heute ist dieses Kind in mir vorhanden und fühlt und verhält sich genauso, wie es konditioniert wurde. 

Nur weiß ich inzwischen, dass dieses kleine Mädchen nur ein Aspekt in mir ist. Aber meine Persönlichkeit ist wesentlich komplexer, wesentlicher bunter, wesentlich älter als dieses kleine hilflose Wesen. 

Das mit den Mülltonnen wird sich regeln. Und wenn nicht, kann ich total UNgenervt beim Vermieter nachfragen, ob es nicht eine andere Lösung gibt. Aber meine kindliche Wut bekommt er nicht ab.

Sonnenuntergang in der Pfalz

Fazit zur Projektion der Wut

Meine Emotionen werden im Hier und Jetzt ausgelöst, aber die Ursache liegt oft viel weiter zurück. Ich reagiere im Hier und Jetzt auf eine Bedrohung, die mir in jungen Jahren zugestoßen ist, die aber nicht mehr viel mit der Erwachsenen, die ich heute bin, zu tun hat.

Meine Aufgabe ist es, mir bewusst darüber zu werden, woher diese Gefühle gerade kommen und sie dann weiterziehen zu lassen. Ich muss sie nicht ausleben.