Gefühle nicht fühlen wollen

Gefühle zu fühlen kann unangenehm sein. Nicht nur das Gefühl selbst, auch die körperlichen Reaktionen auf das Gefühl und vor allem das, was an diese Gefühle geknüpft wurde, wie Scham und Schuld. Jeder Mensch hat seine eigenen Strategien entwickelt, wie er oder sie mit Gefühlen umgeht, die er oder sie nicht fühlen will. Ein Einblick in die Gefühlswelt eines sogenannten „Borderliners„.

Borderline heißt emotional-instabile Persönlichkeitsstörung

Inhaltsverzeichnis über Gefühle nicht fühlen wollen

Ablehnung von Gefühlen

Die meisten werden die Ablehnung und die Anspannung kennen, wenn man Gefühle ablehnt. Da blubbert etwas hoch und wir fangen automatisch an uns dagegen zu wehren. Das wurde von klein auf einprogrammiert: Dieses Gefühl möchte ich nicht fühlen und noch weniger darf ich es zum Ausdruck bringen. Die wenigstens werden es sich eingestehen, aber dahinter steckt Angst. Eine tiefsitzende Angst vor einem Gefühl.

Das ist so stark in unseren Organismus einprogrammiert, dass wir es in den meisten Fällen noch nicht mal mitbekommen, dass überhaupt ein Gefühl da ist und dass wir es direkt wegdrängen. Diese Abwehrfunktion wurde tief ins Unterbewusstsein eingebrannt.

Aber diese Gefühle finden einen Weg. Sie finden einen Weg durch unsere Gedanken und vor allem durch unsere Körper. Hier bringen sie sich zum Ausdruck, durch Krankheit, Gedankenkreisen, nicht-zur-Ruhe-kommen. Unsere Medizin ist jedoch immer noch so stark auf das rein Physische konzentriert, dass es noch Jahrzehnte dauern wird, bis sie auch Gefühle in ihre Behandlungen miteinbeziehen und vor allem als Ursache anerkennen.

Ursache vieler physischer Erkrankungen sind unterdrückte Gefühle

Extreme Ausdrucksform des „Gefühle-Nicht-Fühlen-Wollen“s

Eine extreme Ausdrucksform ist die Selbstverletzung. Anstatt ein Gefühl zu fühlen, fügen sich Betroffene selbst Verletzungen zu. Diagnostiziert wird dann gerne Borderline, die offizielle Diagnose lautet emotional-instabile Persönlichkeitsstörung.

Das sind Menschen, die ihren Gefühlen und Emotionen so nahe stehen, dass diese immer kurz unter der Oberfläche herumblubbern. Gleichzeitig aber empfinden Betroffene eine enorme Abwehr gegen diese Emotionen. Und diese Abwehr ist berechtigt! Diese unangenehmen Emotionen haben nämlich selten etwas mit dem Hier und Jetzt zu tun, auch wenn sie gerade in diesem Moment ausgelöst werden. Stattdessen sind es alte Emotionen, aus der eigenen Kindheit, aus einer Zeit, in der diese Emotionen nicht da sein durften.

Die aus der Unterdrückung entstehende Wutenergie musste damals irgendwo hin. Also richtet man diese Wut gegen sich selbst, weil man gelernt hat, wenn man sie an anderen (Erwachsenen und vor allem Autoritätspersonen) auslässt, wird man immer den Kürzeren ziehen. Man kann niemals gewinnen. Alles wir viel schlimmer werden, wenn man die Wut rauslässt. Also richtet man sie gegen sich selbst, als letzter Akt der Verzweiflung.

Diese Emotionen wurden mit aller Vehemenz unterdrückt, mussten unterdrückt werden, um sich anzupassen.

Sich selbst zu verletzen kann sehr befriedigend sein.

Erstmal lenkt der Schmerz die eigene Aufmerksamkeit weg von dem unangenehmen Gefühl, auf das man sonst panischst fokussiert ist (obwohl man am liebsten davor wegrennen möchte). Es muss ein sehr lauter Reiz sein, um in diesen Ausnahmesituationen die Aufmerksamkeit zu lenken. Der Fernseher reicht da oft nicht aus.

In diesen panischen Ausnahmesituationen wird der ganze Körper taub. Man fühlt so gut wie nichts mehr, nur noch dieses extrem unangenehme Gefühl ist in einem vorhanden. Und dieses Gefühl nimmt alles ein. Das autonome Nervensystem ist so überfordert, dass es in die Freeze-Stellung geht, eine Art Totstellen. In der Natur kann man das bei Beutetieren beobachten, die von einem Jäger gefasst werden. Hat der Löwe die Antilope gerissen, schaltet sich das autonome Nervensystem der Antilope ab, so dass sie keine Panik und keinen Schmerz mehr spürt. Auch bei Menschen geschieht das in extremen Ausnahmesituationen. In diesen Situationen glaubt der Körper, physisch nicht zu überleben.

Welch ein Segen unser autonomes Nervensystem sein kann!

Der eigene Körper interpretiert also gerade dieses unangenehme Gefühl als überlebensbedrohend (und als abhängiges Kind war solch eine Situation mit Sicherheit lebensbedrohend). Daraufhin schaltet er sich ab und fährt die Organtätigkeiten herunter. Die Schwierigkeit ist nun, dass man aber gerade nicht stirbt, sondern als Mensch irgendwie weiter funktionieren muss (man braucht zum Beispiel Essen und Trinken, nichts, was der Körper in der Freezestellung bewerkstelligen kann). Die Selbstverletzung lässt einen den eigenen Körper wieder spüren, man lenkt seine Aufmerksamkeit auf ein anderes Ziel und das autonome Nervensystem hat Zeit wieder in Gang zu kommen.

Außerdem nimmt die Selbstverletzung einem die Anspannung, gibt einem das Gefühl von Selbstwirksamkeit zurück und lässt einen wieder im Hier und Jetzt ankommen. Definitiv ein Skill! Dieser wird jedoch von der Medizinwelt nicht gerne gesehen. Betroffene werden für dieses Verhalten eher verurteilt, als dass anerkannt wird, dass die Betroffenen selbst in der Lage sind, solche Ausnahmesituationen zu regulieren. Ganz ohne Medikamente oder Hilfe von außen (die sie in Kindertagen mit Sicherheit auch nicht bekommen haben).

„Gefühle-Nicht-Fühlen-Wollen“ im Alltag

Die meisten werden im Laufe ihres Lebens irgendwelche Strategien entwickelt haben, um Gefühlen aus dem Weg zu gehen oder wenn sie dann da sind, sie zu ignorieren. Ganz vorne mit dabei sind Scrollen durch Social Media, Fernsehschauen, Alkohol oder anderer Drogenkonsum, essen, sich mit Freunden treffen, Shoppen, Videospiele und, und, und. Unsere Welt ist voll von Möglichkeiten nicht fühlen zu müssen. Menschen scheinen Meister darin zu sein, Dinge zu erfinden, um nicht fühlen zu müssen und diese dann bis zum Exzess zu verwenden. Meistens total unbewusst darüber, dass es dabei darum geht, dass sie nicht fühlen wollen.

Die richtige Richtung

Gibt es einen Ausweg?

Jede Menge Bewusstsein ist notwendig, um sich selbst einzugestehen, dass man nicht fühlen will. Diese Erkenntnis ist der erste Schritt, um etwas zu ändern. Denn in dem Moment, in dem man seine Gefühle annehmen kann, hört der innere Kampf auf und man ist nicht mehr auf Ablenkungen angewiesen. Dann kann man sein Leben selbst in die Hand nehmen, ganz ohne Social Media und Co. Ganz ohne Energieverschwendung.

Nimm dein Leben wieder selbst in die Hand

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