Wenn MEINE Realität die einzig WAHRE Realität ist
Jeder Mensch hält seine eigene Realität für die WAHRE Realität. So, wie ICH die Welt sehe, IST die Welt nunmal. Aus meiner persönlichen Sicht bedeutet das, alle anderen sind total rücksichtslos und dringen mit ihren Geräuschen und Gerüchen ungebeten in mein Leben ein. Aus der Sicht der anderen bin ich total merkwürdig und man meidet mich besser. Welche Realität ist nun die WAHRE Realität? Gibt es überhaupt eine WAHRE Realität?
Inhaltsverzeichnis über „Wahre Realität“
Mein aktuelles Leben
Ich lebe ein sehr zurückgezogenes Leben. Ich habe kaum soziale Kontakte, zu meiner Familie habe ich aktuell gar keinen Kontakt und die meiste Zeit bin ich mit mir selbst zusammen und froh darum.
Menschen strengen mich an mit all ihren Emotionen, ihrer Gier, ihrer Rücksichtslosigkeit. Ich nehme einfach unglaublich viel wahr, das meiste davon will ich gar nicht wissen und trotzdem ist es da.
Meine kleine Wohnung bevölkere nur ich und nur meine Sachen. Ich möchte auch niemand hier haben. Ich möchte selbst entscheiden, wann sich etwas in der Wohnung verändert oder wann ich Musik hören oder wann ich die Balkontür stundenlang offen stehen haben möchte.
Die meiste Zeit lebe ich in der Stille und genieße dieses Gefühl des Friedens und des In-der-Balance-Seins.
Wenn alles in mir durcheinander gerät entscheide ich mich bewusst dafür den Fernseher anzumachen oder Kopfhörer anzuziehen und mich abzulenken
Wären da nicht die Nachbarn. Insgesamt gibt es hier drei Nachbarparteien, wobei nur eine einzige Partei direkt hinter den Wänden meiner eigenen Wohnung lebt.
Sie dringen in mein Leben ein. Sie zwängen sich in meine Stille mit ihrer Musik, ihren Unterhaltungen, ihren Schritten. Die direkte Nachbarin hat harte Fersenschritte, für mich ein Zeichen für tiefe Unbewusstheit. Sie ist sich ihrer selbst und ihres Körpers nicht bewusst und merkt gar nicht, dass sie Tag und Nacht durch ihre Wohnung stampft. Und dieses Geräusch aktiviert jedesmal mein Nervensystem.
Ich kann nichts dagegen tun
Auch ihre Gerüche wehen immer wieder zu mir rüber. Sie rauchen auf ihrem Balkon oder haben ihre Dunstabzugshaube in der Küche an. Schön, dass ihr den Geruch EURES fettigen Essens nicht bei EUCH in der Wohnung habt! Dafür ist er bei MIR in der Wohnung. Und nichts davon würde ich selbst essen!
Oder der Geruch eurer Restmülltonne bei Nordostwind. Weil ihr die Tonne in der prallen Sonne stehen habt.
Ich dringe doch auch nicht in eure Leben ein, warum tut ihr es dann bei mir? Wenn ich laut singen möchte, gehe ich ins Feld, damit ich euch nicht damit belästige. Wenn es mir nicht gutgeht, gehe ich spazieren, anstatt euch mit meinem Weinen zu behelligen.
Ich bin gerne draußen, weil es mein Nervensystem beruhigt und es wieder in die Balance bringt. Aber bei Nordostwind kann ich nicht auf meinem Balkon sitzen wegen dem Geruch. Gerüche triggern mich. Das habe ich mir so nicht gewünscht, aber so ist es nunmal.
Perspektivwechsel
Die neue Nachbarin ist echt merkwürdig! Ständig sehe ich durch’s Küchenfenster, wie sie rüber zum Bach geht. Was zum Teufel macht sie da? Da ist rein gar nichts.
Oder letztens habe ich sie tatsächlich die Straße entlang tanzen sehen! Tanzen! Die ist mindestens 40!
Aber als Hartzerin scheint es ihr nicht schlecht zu gehen. Sitzt ständig auf dem Balkon in der Sonne und liest oder hängt an ihrem Laptop rum. So ein Leben hätte ich auch gerne! Ich muss immer malochen, damit ich irgendwie über die Runden komme.
Und dann macht sie immer morgens schon um 8 Uhr ihren Rollladen hoch! Egal, ob unter der Woche oder am Wochenende. Da bin ich grad eingeschlafen!
Und die eine Nachbarin hat mir erzählt, dass sie Pflanzen nicht gerne in Töpfen hat, weil Pflanzen immer miteinander verbunden sein sollen. Was für ein Quatsch ist das denn! Bestimmt isst sie auch kein Tier und tanzt ihren Namen!
Überempfindlich scheint sie auch zu sein. Sie riecht die Restmülltonne auf ihrem Balkon, behauptet sie. Und jetzt soll ICH die Tonne umstellen, weil SIE sich dadurch gestört fühlt? Ich hab ihr direkt geschrieben, dass ich die Tonne nie rieche.
Langsam fängt sie an mich zu nerven. Bevor sie kam, hat alles hier gut funktioniert.
Meine Perspektive
Aus meiner Perspektive lebe ich ein Leben in einem bewussten Einssein mit mir und meiner Umwelt. Ich bin mir darüber bewusst, wenn ich in die Leben von anderen eindringe oder mich dafür entscheide, meine emotionalen Päckchen woanders auszuleben.
Alles, was ich tue, tue ich aus einer bewussten Entscheidung heraus. Ich fühle mich besser, wenn ich in der Natur bin. Ich fühle mich besser, wenn ich in der Stille mit am besten gar keinen Geruch sitze. All das habe ich in jahrelanger Achtsamkeit für mich selbst erarbeitet.
Das ist momentan mein Leben
Die Nachbarn agieren unbewusst einfach Triebe aus: Wenn sie Hunger haben, braten sie sich was, wenn sie Nikotin brauchen, rauchen sie.
Deren Perspektive
Aus deren Perspektive bin ich einfach merkwürdig. Ich habe merkwürdige Ansichten über das Leben und verhalte mich auch durch und durch merkwürdig! Dieser Quatsch mit den Pflanzen und dass ich ständig draußen bin. Sie wissen von der MS-Diagnose, dadurch haben sie für sich selbst eine Ausrede, warum ich so merkwürdig bin. Und sie fühlen sich durch diese Merkwürdigkeit gestört.
Während ich mich von ihrem Lärm und ihren Gerüchen gestört fühle, fühlen sie sich durch meine pure Andersartigkeit gestört. Dadurch, dass ich mich anders verhalte, anders rede, ein anderes Leben führe.
Wessen Realität ist nun die wahre Realität?
Wer hat Recht? Sie sind mehrere, die gemeinsam ein Bild von einer bestimmten Realität haben. Haben sie deswegen automatisch Recht?
Aus meiner Perspektive sind diese Menschen merkwürdig, weil sie alle mit dem Strom mitschwimmen, gefangen in einem Leben aus: Aufstehen | Arbeiten | Essen | Sex haben | Fernsehschauen | Schlafen.
Wiederholen.
Ich würde mir wünschen, meine Realität wäre die wahre Realität. Eine Realität, in der sich jeder seiner selbst bewusst ist und die Auswirkungen seines Handelns erkennt und dementsprechend abwiegt, wie man sich verhalten möchte.
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