Nur brave Kinder bekommen etwas vom Christkind

von | 23 Dez. 2024 | Perspektivwechsel

An Weihnachten wurde man dafür belohnt, dass man brav war. Das hat einem als Kind eine Daseinsberechtigung gegeben. Man hatte das Gefühl, geliebt und anerkannt zu werden. Aber was genau bedeutet es brav zu sein? Was muss man tun, um in der eigenen Familie Anerkennung und Liebe zu erfahren, geknüpft an materielle Geschenke, die ein imaginäres Wesen bringt?

Verarbeitung von Emotionen

Inhaltsverzeichnis über das Brav sein

Brav sein!

„Brav-Sein“ war als Kind eine wichtige Eigenschaft. Nur wer brav war, hat zu Nikolaus und Weihnachten Geschenke bekommen. Nur wer brav war, war Teil der Familie, wurde geliebt und mit dem wurden schöne Sachen gemacht.

Wenn man nicht brav war, wurde man aus der Familie ausgeschlossen. Erst wurde man für das „Nicht-Brav-Sein“ bestraft und dann bekam man keine Aufmerksamkeit mehr, wurde ignoriert. Vielleicht wurden einem auch die simpelsten Bedürfnisse entzogen, z.B. das Recht etwas zu essen oder auf die Toilette gehen zu können.

Und im Gegensatz zu Max in dem Buch „Wo die wilden Kerle wohnen“ stand dann später kein warmes Abendessen vor der Tür. Wenn man kein braves Kind war, musste man hungrig auf sein dunkles Zimmer und musste das verzweifelte Gefühl der Panik aushalten.

Guantanamo für Kinder. Nur nennt man es bei Kindern nicht Folter, sondern Erziehung.

Dort war man ganz allein. Und man hatte dieses tiefe Gefühl, dass auch „da draußen“ niemand für einen da ist. Niemand beschützte einen. Schließlich war man eh dran schuld, dass man bestraft wurde, weil man ja kein braves Kind war. Eine ganz simple Regel in der Familie als auch in der Gesellschaft: Nur wer brav ist, hat eine Daseinsberechtigung. Brav sein war das A und O in der Kindheit.

Die Regeln des Brav-Seins

Aber was genau bedeutete es, ein braves Kind zu sein? „Brav-Sein“ kann schließlich viele Gesichter haben. Und hier kommt die Ambivalenz ins Spiel: Brav sein bedeutet das zu tun, was in der Familie vom Kind verlangt wird. Egal, wie abartig, dysfunktional oder grenzüberschreitend das auch sein mag.

Wächst das Kind in einer mafiösen Familie auf, wird vielleicht von ihm oder ihr erwartet, dass er oder sie Dinge stiehlt, die er oder sie haben möchte. In diesem Fall wäre das Kind nicht brav, wenn es stattdessen arbeiten geht, Geld verdient und sich die Dinge kauft.

Man wird als Kind also nur belohnt, wenn man das tut, was die Familie von einem verlangt. Nur dann gibt es Geschenke vom Christkind (oder Weihnachtsmann). Nikolaus hat ja seinen kleinen Helfer Knecht Rupprecht, der die nicht braven Kinder bestraft. Kinder lernen also, ich muss mich so verhalten, wie meine Familie das möchte, ansonsten werde ich nicht so angenommen, wie ich bin und bekomme auch keine Belohnung.

Brav sein im Erwachsenenalter

Ich habe letztes Jahr nichts zu Weihnachten geschenkt bekommen. Weil ich kein braves Kind war.

Dieses Gefühl des Abgelehntwerdens sitzt so tief in mir, dass ich weinen musste, als mir klar wurde, dass niemand mir etwas zu Weihnachten schenkt. Dabei mache ich mir nicht viel aus Weihnachten oder aus materiellen Geschenken. Aber nichts geschenkt zu bekommen hat den Beigeschmack von einer fehlenden Daseinsberechtigung. Durch Geschenke wird mein Dasein anerkannt, es wird gezeigt, dass an mich gedacht wurde, ob ich brav war oder nicht. Nichts geschenkt zu bekommen bedeutet, dass man abgelehnt wird. Niemand hat sich die Zeit genommen an mich zu denken.

Die emotionale Verknüpfung von Geschenken und das Gefühl des Angenommenwerdens ist eng miteinander verbunden. Das reicht bis in mein Erwachsenenalter. Aber ich war letztes Jahr kein braves Kind. Ich habe keine Geschenke verdient und muss dafür bestraft werden, dass ich mich nicht an die Regeln der Familie halte.

Das größte Geschenk, das man seinem Kind machen kann: Es loszulassen und ihm erlauben es selbst zu sein.

Ein System, dass auf Belohnung und Strafe ausgerichtet ist, um die Mitglieder des jeweiligen Systems auf der Spur zu halten, erschafft Mitglieder, die niemals authentisch sie selbst sein können. Diese Mitglieder werden für immer in ihren konditionierten Rollen gefangen sein, was zu Krankheit und Leid führt.

Emotionen in der Verarbeitung kosten viel Energie

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