Der Kampf gegen alte, weißhäutige Männer
Es scheinen immer alte, weißhäutige Männer zu sein, die glauben, einem erzählen zu können, wie das Leben zu laufen hat. Die einem erzählen, dass nur SIE Lösungen für Probleme kennen. Vielleicht entsteht dieses Gefühl auch nur in den zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen einer jungen Frau mit einem alten besserwisserischen Mann, der einer anderen Generation angehört. Wir leben im Informationszeitalter, das ich voll ausschöpfe. Ich brauche keine alten, weißhäutigen Männer mehr für mein Überleben.
Die Begegnung
Ich schaue meinen Vermieter an. Da sitzt er in seinem fetten neuen BMW SUV, mit einem X auf dem Nummernschild. Das X hat er nur bei seinen BMW-Wagen, wie er mir großspurig erklärt. Bei seinen Mercedes‘ sind seine Initialen auf den Nummernschildern.
Ich lache einen Tick zu laut. Solche Menschen scheint es tatsächlich auf diesem Planeten zu geben. Ich hatte die Hoffnung, die gäbe es nur im Fernsehen.
In meiner Welt spielen weder BMWs noch Mercedes‘ eine Rolle, schon gar nicht, welche Buchstaben auf den Nummernschildern stehen. In meiner Welt geht es darum, dass die Balkontür meiner Wohnung nicht richtig schließt und die 2°C kalte Märzluft sich mit der nicht wirklich warmen Heizungsluft vermischt. Meine Füße wissen schon gar nicht mehr was Wärme bedeutet.
Haben Bürgergeldempfänger*innen Anrecht auf Menschlichkeit?
Aber als Bürgergeldempfängerin scheine ich kein generelles Anrecht auf Menschlichkeit zu haben. Der Vermieter hat doch seinen kleinen Fuhrpark. Ist nicht sein Problem, dass die Fenster und Türen der Wohnung nicht richtig schließen. Er bekommt sein Geld.
Die erste Hilfe, die es verschlimmbessert
Zufällig ist der Sohn des Vermieters mein direkter Nachbar, der vor mir in dieser Wohnung gewohnt hat. Er kam sogar noch am selben Tag rüber und hat sich die Balkontür angeschaut. „Verziehen kann sich so ne Tür nicht!“, hat er mir fachmännisch weiß gemacht. Als ob dieser kleine Zwanzigjährige mehr Ahnung hat als ich.
Die Besserwisserei in dieser Familie fängt langsam an mich zu nerven.
Seine Lösung war die Dichtungsstreifen, die er selbst mal an den Türrahmen geklebt hat, abzureißen. Danach konnte ich den Himmel durch die geschlossene Balkontür sehen. Ich solle seinen Vater fragen, war sein Rat. Und bis dahin müsse ich halt die Tür nur richtig fest zu ziehen.
Mehr Tat, mehr Rat?
Auch sein Vater kam relativ schnell vorbei, um seinen fachmännischen Rat beizusteuern. Bis dahin hatte ich das Loch mit Tempotaschentücher zugestopft.
Nachdem er für ein paar Minuten die Tür auf und wieder zu gemacht hat, und nicht leugnen konnte, dass sie nicht richtig schließt, kam er zu der Analyse, dass man sie justieren müsse (um ehrlich zu sein war es meine Analyse, die ich ihm in den Mund gelegt hatte, nachdem er rein gar nichts dazu zu sagen hatte). Da müsse man mal im Internet schauen. Ich müsse die Tür halt nur mit Kraft zu drücken, dann wäre der Spalt nicht ganz so groß.
Ich selbst bin die Lösung
ICH habe im Internet geschaut. Um den Flügelandruck zu erhöhen, habe ICH den Bolzen bewegt. Mit einer beschissenen Mini-Zange vom IKEA habe ich mir fast den Arm ausgekugelt, um den Bolzen so zu drehen, so dass sich die Tür wieder schließen lässt. Und das große Himmelsloch ist verschwunden. Es zieht immer noch kalt rein. Aber zumindest ist eine direkte Luftzufuhr unterbrochen.
Am nächsten Tag habe ich dem Vermieter mitgeteilt, dass ich den Bolzen ein Stück bewegen konnte, aber es trotzdem noch notwendig sei, die Tür richtig zu justieren. Seitdem hat er sich nicht mehr bei mir gemeldet.
Bis ich ihn heute im Feld in seinem BMW mit dem X auf dem Nummernschild wiedertreffe. Tatsächlich kam er ganz von allein auf das Thema Balkontür zu sprechen. Mit einem einzigen Satz: „Du hast den Bolzen verdreht? Das solltest du eigentlich nicht machen, dann lässt sich die Tür nicht mehr richtig schließen.“
Ich spüre, wie er die Oberhand behalten möchte. Ich spüre wie er versucht mir einzureden, dass ich es nicht richtig gemacht habe.
Und ich sag dir was: ICH habe es richtig gemacht! Im Gegensatz zu DIR habe ich mehr Ahnung! Du alter, weißhäutiger Mann brauchst dir nichts auf dein Wissen einzubilden. Die Jungen brauchen dich nicht mehr. Weil du in Wirklichkeit gar nichts weiß. Und du wirst auch nicht mehr wissen, nur weil du andere schlecht machst!
Trotz meiner Schmerzen und Kraftlosigkeit habe ICH das Problem gelöst. Ein Problem, auf das du gar keinen Bock hattest. Weil dich interessiert nur das Geld, was rein kommt und deinen Fuhrpark finanziert, nicht wahr? Dass ich frierend in meinem Wohnzimmer sitze, ist nicht dein Problem, nicht wahr?
Ich habe es satt, dass ihr alten weißen Knacker immer glaubt alles besser zu wissen.
Dank des Internets sind diese Zeiten vorbei! Ihr könnt mir nichts mehr vormachen.
Feldgespräche ohne einen Kampf
Und während ich in meinen Laufsachen im Feld stehe und diesen alten, weißhäutigen Mann, der es gerne besser weiß, anlächle, antworte ich ganz freundlich: „Ich habe den Bolzen in die richtige Position gedreht und seitdem zieht sich die Tür besser an den Rahmen.“.
Deine Zeiten sind vorbei, alter Mann. Die Zeiten, in denen Männern glaubten es besser zu wissen. Die Zeiten, in denen überhaupt irgendwer glaubte, es besser zu wissen.
Ich brauche euch nicht. Und eure Besserwisserei schon gar nicht.
Und schon gar nicht brauche ich einen Kampf gegen alte, weißhäutige Männer.
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