Daran erkennt man emotional unreife Menschen
Emotional unreife Menschen geben anderen die Schuld an den eigenen emotionalen Zuständen, leben Emotionen ungefiltert aus oder sind überhaupt nicht in der Lage Emotionen zu zeigen. Das Spektrum ist breit gefächert und in der folgenden Liste sollen Verhaltensweisen aufgezeigt werden, die typisch sind für emotional unreife Menschen. Dabei soll die Liste nicht verurteilen und mit dem Finger auf andere zeigen. Stattdessen soll sie erhellen.
Listenübersicht „Daran erkennt man emotional unreife Menschen“
- Anderen die Schuld geben an eigenen „negativen“ emotionalen Zuständen
- Schwierigkeiten, wenn andere mitteilen, dass das Verhalten des emotional unreifen Menschen diesen anderen verletzt hat
- Keine Verantwortung für eigene emotionale Zustände übernehmen
- Emotionen werden unreflektiert ausgelebt
- Offene, authentische Gespräche über Emotionen zu führen ist nicht möglich
- Eigene emotionale Zuständen erkennen und benennen ist nicht möglich
- Von anderen wird erwartet, dass sie sie glücklich machen
- Nur „negative“ Emotionen kommen vom Außen, alles „Positive“ wird auf sich selbst bezogen
- Der Zusammenhang von zwischenmenschlichen Beziehungen und Emotionen wird nicht gesehen
- Emotionen spielen keine große Rolle in ihrem Leben (erzählen sie sich selbst)
- Der Zusammenhang von Körper, Emotionen und Psyche wird geleugnet
- Materielles Bewusstsein dominiert
- Emotionen werden an anderen ausgelassen
- Keine Reaktion
- Wenn andere Emotionen zeigen, fühlen sie sich getriggert
- Nur die eigenen Emotionen sind wahr
- Emotionen können nicht selbst reguliert werden
- Fühlen sich schnell kritisiert oder sind emotional verletzt
- Unmöglich eigene Emotionen zu reflektieren
- Wirken komplett ausgeglichen und in sich ruhend
Vorwort
Wir alle haben emotional unreife Persönlichkeitsanteile in uns.
Bei diesem Beitrag soll es nicht darum gehen andere oder sich selbst zu verurteilen. Es geht darum ein Licht auf die Bereiche in der eigenen Psyche scheinen zu lassen, die die meiste Zeit im Schatten liegen. So kann man sich selbst besser kennen lernen und es hilft, die eigenen emotionalen Wunden in sich selbst zu erkennen.
Zusätzlich kann es hilfreich sein, vor einer 20-jährigen Partnerschaft zu erkennen, dass der Partner oder die Partnerin einige emotional unreife Persönlichkeitsanteile in sich trägt. Man kann sich jede Menge emotionalen Schmerz ersparen, wenn man die Partnerschaft nicht aufrecht erhält.
Allgemeines über emotional unreife Menschen
Das Wort „unreif“ soll in diesem Zusammenhang bedeuten, dass es noch Entwicklungspotenzial gibt. „Emotional unreif“ heißt also, dass es im Bezug auf Emotionen noch Möglichkeiten gibt, weitere Reife zu erfahren und somit seinen eigenen emotionalen Zustand selbst zu beeinflussen. Dafür muss man aber die Persönlichkeitsanteile in sich kennen, die noch weitere Entwicklung erfahren können.
Es gibt die ganz offensichtlich emotional unreifen Menschen, oft erkennt man in ihnen stark ausgeprägte narzisstische Persönlichkeiten. Aber es gibt auch verdeckte emotional unreife Menschen. Das sind die, die ihre emotionalen Zustände nicht offen ausleben. Sie ziehen sich eher in sich selbst zurück, machen dicht und man kommt emotional nicht an sie heran.
Die emotionale Unreife ist eine Folge der Erziehung und der Epigenetik. In der Kindheit wurden emotionale Wunden angelegt, die im Erwachsenenalter im Umgang mit den eigenen Emotionen, aber auch mit den Emotionen von anderen, zu bestimmten Verhaltensweisen führen. Diese führen häufig in zwischenmenschlichen Beziehungen zu Konflikten oder sogar zu physischen Auffälligkeiten und Einschränkungen.
Dabei sind diese Verhaltensweisen oft nicht grundlegend immer vorhanden, sondern erscheinen situativ. Das heißt, dass der Umgang mit Emotionen in einem familiären Umfeld ein anderer sein kann, als im Umgang mit Arbeitskollegen. So hat jeder gelernt, wann man welche Emotion wie zeigt oder eben nicht zeigt.
Handhabung dieser Liste
Die folgende Liste ist definitiv nicht vollständig und ich werde sie mit der Zeit erweitern.
Alle Punkte, die hier aufgezählt werden, können in ihrer Gesamtheit in einer Person vorhanden sein oder nur teilweise. Dabei können alle Abstufungen vorkommen, von stark ausgeprägt bis nicht vorhanden.
Liste emotional unreifer Verhaltensweisen
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1. Anderen die Schuld geben an eigenen "negativen" emotionalen Zuständen
- Wenn emotional unreife Menschen wütend sind, dann nur, weil sich jemand anderes blöd verhalten hat
- Wenn sie neidisch sind, dann nur, weil der andere sie neidisch macht
- Wenn sie gierig sind, dann nur, weil die Welt sie gierig macht
Emotional unreife Menschen erkennen nicht, dass Emotionen etwas sind, was in ihnen selbst erzeugt wird. Emotionen kommen grundsätzlich aus einem selbst heraus.
Wenn sich emotional unreife Menschen unwohl fühlen (z.B. wütend sind, ängstlich sind, neidisch sind…), dann deswegen, weil andere im Außen bewusst oder in den allermeisten Fällen unbewusst einen emotionalen Trigger gesetzt haben (z.B. indem sie etwas sagen, etwas tun, oder vielleicht einfach durch ihre pure Anwesenheit). Dieser Trigger aktiviert eine tiefe emotionale Wunde in den emotional unreifen Menschen.
Nun ist es einfacher, jemandem im Außen die Schuld am eigenen emotionalen Zustand zu geben, als selbst die Verantwortung zu übernehmen.
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2. Schwierigkeiten, wenn andere mitteilen, dass das Verhalten des emotional unreifen Menschen diesen anderen verletzt hat
Beispiel:
Ich sage meinem Freund ganz offen und ehrlich, nicht emotional oder anklagend, nur transparent: „Dass du das gesagt hast, hat mich sehr verletzt. Gerade bin ich in einer schwierigen emotionalen Phase, da hätte ich mir mehr Unterstützung gewünscht.“
Die Reaktion eines emotional unreifen Menschens ist direkte Abwehr und Verteidigung des eigenen Verhaltens.
Diese Menschen sehen diese Aussage als Bedrohung und als Anklage. Hierbei geht es um das Gefühl der Schuld, was für emotional unreife Menschen nur schwer zu ertragen ist.
Als Gegenreaktion kommt immer Schuldzuweisungen an den anderen: „Was ICH immer alles für dich tue!“ oder „Du bist selbst dran Schuld, ich hab dir schon vorher gesagt, dass das nicht geht!“.
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3. Keine Verantwortung für eigene emotionalen Zustände übernehmen
Verantwortung für die eigenen Emotionen zu übernehmen bedeutet zu erkennen, dass eine emotionale Wunde aus der Vergangenheit vorhanden ist. Und ich es selbst kann beeinflussen, ob ich diese emotionale Wunde auslebe oder nicht.
Verantwortung zu übernehmen bedeutet zu erkennen, ich kann aktiv selbst etwas an meinen emotionalen Zuständen ändern.
Indem emotional unreife Menschen aber nichts an ihren emotionalen Zuständen ändern, bleibt ein Gefühl der eigenen Schuld zurück, ein Gefühl aus der Vergangenheit: Du-Bist-Selbst-Dran-Schuld. Ein Gefühl, das für diese Menschen nur schwer zu ertragen ist. Deswegen müssen sie anderen die Schuld daran geben.
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4. Emotionen werden unreflektiert ausgelebt
Hier gibt es verschiedene Abstufungen:
„Ausleben“ kann bedeuten, dass sie cholerisch rumbrüllen, wenn sie wütend sind oder aber auch, dass sie sich emotional verschließen, kühl werden.
In allen Fällen jedoch merkt das Außen sofort, dass gerade emotional etwas vor sich geht, dem man besser aus dem Weg geht.
Diese Menschen tragen ihre Emotionen vor sich her wie eine sie umgebende Aura. Man spürt sofort, ob sie gut drauf sind oder man ihnen besser aus dem Weg geht. Spricht man sie auf ihre „Laune“ an, bekommt man meist schnippische Antworten nach dem Motto: „Ich bin halt so!“ oder „Ich verstell mich wenigstens nicht, wenn ich genervt bin!„.
Sie identifizieren sich durch und durch mit ihren Emotionen und glauben, dass sie ein Recht darauf haben, dass alle Welt weiß, wie sie heute gelaunt sind.
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5. Offene, authentische Gespräche über Emotionen zu führen ist nicht möglich
Wenn man sich diesen Menschen versucht mitzuteilen, zu erzählen, was gerade emotional in einem vorgeht und, am allerschlimmsten, was das mit den emotional unreifen Menschen zu tun hat, machen sie sofort dicht.
Meist entsteht dadurch eine Streitsituation, weil diese Menschen sich angegriffen fühlen und in den Gegenangriff gehen.
Oder sie schalten einfach ab, lassen sich nicht mehr greifen. Dann ist es, als ob man mit einer Puppe redet. Man spürt, dass sie nicht mehr beim Gespräch anwesend sind, und nur noch „Ja“ und „Amen“ sagen, um möglichst schnell aus dieser unangenehmen Situation heraus zu kommen.
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6. Eigene emotionale Zustände erkennen und benennen ist nicht möglich
Eigene emotionale Zustände werden klein geredet oder Gespräche darüber werden ignoriert.
In der Welt eines emotional unreifen Menschen ist das Problem nicht die Emotion, das Problem sind die anderen. Somit gibt es auch keine Notwendigkeit etwas an der eigenen Emotion zu ändern. Das offensichtliche Problem (die anderen) muss geändert werden.
(Hier mehr über Gefühle benennen)
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7. Von anderen wird erwartet, dass sie sie glücklich machen
Keine Verantwortung zu übernehmen bedeutet auch, dass emotional unreife Menschen erwarten, dass andere sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, so dass sie sich gut fühlen können.
Von Kindern wird z.B. erwartet, dass sie brav sind und das machen, was der Vater/die Mutter will. Wenn die Erwartungen der Eltern nicht erfüllt werden, ist das Kind daran Schuld, wenn sich das Elternteil ärgern muss.
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8. Nur "negative" Emotionen kommen vom Außen, alles "Positive" wird auf sich selbst bezogen
Indem sie sich selbst und der Welt um sie herum bestätigen, dass sie toll so sind, wie sie sind, haben sie ein Gefühl von Sicherheit. Damit überdecken sie ihre eigentliche Unsicherheit im Bezug auf sich selbst und die eigenen Emotionen.
Sollte dann jemand anderes dieses „positive“ Gefühl negieren, kommen wir wieder zu Punkt 1 „Sie geben gerne anderen die Schuld an ihren ’negativen‘ emotionalen Zuständen“.
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9. Der Zusammenhang von zwischenmenschlichen Beziehungen und Emotionen wird nicht gesehen
Emotionen finden in fast allen Fällen im Zusammenhang mit anderen Menschen statt.
Das liegt daran, dass Emotionen durch emotionale Wunden aus unserer Kindheit ausgelöst werden, d.h. von Caretakern (Eltern, Erziehungsberechtigte usw.), die den Kindern diese Wunden (bewusst und unbewusst) zugefügt haben.
Um das zu erkennen, ist es notwendig eine Metaperspektive einzunehmen, also die Emotionen von außen zu betrachten, und so ihren Ursprung zurück verfolgen.
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10. Emotionen spielen keine große Rolle in ihrem Leben (erzählen sie sich selbst)
Alle, die das anders sehen, sind verweichlicht.
Punkt!
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11. Der Zusammenhang von Körper, Emotionen und Psyche wird geleugnet
Wir alle sind viele Teile. Und unsere Emotionen spielen eine erhebliche Rolle in all unseren Leben.
Für emotional unreife Menschen liegt zum Beispiel das Problem ihres Übergewichts jedoch ganz klar in Kalorienaufnahme und -verbrauch oder ihre chronischen Magenprobleme haben rein gar nichts mit ihrem emotionalen Zustand zu tun.
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12. Materielles Bewusstsein dominiert
Emotional unreife Menschen glauben nur, was die Wissenschaft bewiesen hat. Somit haben körperliche Probleme die Ursache immer auch nur im Körperlichen. Es gibt nur das, was sie mit ihren fünf Sinnen wahrnehmen können.
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13. Emotionen werden an anderen ausgelassen
Um den emotionalen Druck in ihnen abzubauen, scheinen sie es richtiggehend zu lieben, ihre Emotionen an anderen auszulassen. Sie warten regelrecht auf einen Trigger, damit sie endlich diese ganze Wutenergie rauslassen können.
„Emotionaler Punchingball“ sind die anderen für diese Art der emotional unreifen Menschen. Und sie glauben, dass sie ein Recht darauf hätten, ihre Emotionen an anderen abzureagieren.
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14. Keine Reaktion
Emotional unreife Menschen machen gerne dicht, wenn es um Emotionen geht.
Sie sind dann einfach emotional nicht mehr anwesend, während man versucht eine Verbindung zu ihnen herzustellen. Sie können nicht darüber reden und haben keine Vorstellung davon, wie sie mit dem Thema „Emotionen“ umgehen sollen.
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15. Wenn andere Emotionen zeigen, fühlen sie sich getriggert
Getriggert fühlen bedeutet, dass man etwas in den emotional unreifen Menschen berührt, dass sie sich lieber nicht anschauen wollen. Dementsprechend fällt ihre Reaktion aus.
Wenn man emotional unreifen Menschen gegenüber emotional wird, können sie viele Reaktionen zeigen:
- Einfach so tun, als ob sie die Emotionalität nicht merken
- Sie fangen an sich darüber lustig zu machen „Oh, hast du etwa Angst?“
- Sie werden genervt bis hin zu wütend
- Sie werden eiskalt und sagen sowas wie „Ach, macht dich das etwa wütend?“
- Sie nehmen einen nicht ernst: „Mal ehrlich, wegen sowas machst du dir Sorgen?“
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16. Nur die eigenen Emotionen sind wahr
Emotional unreife Menschen scheinen kein Verständnis dafür zu haben, wenn man andere Emotionen hat als sie. Z.B. verstehen sie nicht, wie man vor etwas Angst haben kann, wovor sie keine Angst haben. Oder dass einen etwas wütend macht, was sie vollkommen kalt lässt.
Nur ihre Emotionen sind die wahren Emotionen und am liebsten hätten sie gar keine.
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17. Emotionen können nicht selbst reguliert werden
Emotional unreife Menschen brauchen immer die Hilfe von anderen, wenn sie starke Emotionen verspüren.
Das bedeutet z.B. das direkt eine Freundin angerufen werden muss, wenn man Streit mit dem Partner hat oder man braucht jemanden, der einen beruhigt, wenn man Angst verspürt.
Es entsteht eine Art Abhängigkeit zum Außen, weil das die einzige Möglichkeit darstellt, die eigenen Emotionen zu beruhigen und den Organismus wieder in die Balance zu bringen.
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18. Fühlen sich schnell kritisiert oder sind emotional verletzt
Beispiel:
Ich zu einer Freundin, die Pferde hat: „Ich mag am liebsten Isländer. Wobei das, glaub ich, daran liegt, dass sie auf ihrer Insel das ganze Jahr über frei herumlaufen dürfen.“
Freundin: „Ja, aber hier geht das nicht anders. Wegen dem Wetter/der Verletzungsgefahr/Mückenstichen/Gefahr der Herdenhaltung/Koliken usw. muss ich sie die meiste Zeit im Paddock halten!“.
Emotional unreife Menschen können sich durch belanglose Aussagen schnell kritisiert fühlen oder sind tief emotional verletzt. Erkennen kann man das an der direkten Verteidigung der eigenen Meinung und am Rechtfertigen.
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19. Unmöglich eigene Emotionen zu reflektieren
Um die eigenen Emotionen reflektieren zu können, ist es notwendig eine Metaperspektive einzunehmen.
Das bedeutet sich von den eigenen Emotionen zu lösen und sie „von außen“ zu beobachten ohne sich mit ihnen zu identifizieren.
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20. Wirken komplett ausgeglichen und in sich ruhend
Paradox, aber wahr.
Manche emotional unreife Menschen haben ihre Emotionen so sehr von sich abgespalten, dass sie äußerlich ausgeglichen wirken und man das Gefühl hat, diese Menschen haben alles im Griff.
In den meisten Situationen reagieren sie angemessen auf die Emotionsäußerung von anderen und können richtig beschwichtigend sein, wenn sich bei anderen starke Emotionen zeigen. Bis, aus irgendeinem Grund, ein Trigger seinen Weg durch die Barrikade findet und einen Nerv trifft. Und man erkennen muss, dass hinter dieser Ausgeglichenheit ein tiefer Abgrund lauert (wie bei From Dusk till Dawn in der Endszene mit der Bar, hinter der ein tiefer Abgrund klafft).
Nachtrag
Die Liste wurde jetzt doch länger als gedacht.
Die Schwierigkeit mit diesen Verhaltensweisen ist, sie an sich selbst zu erkennen. Wir sind besser darin sie bei anderen zu identifizieren. Ein Schatten scheint über solchen emotional unreifen Verhaltensweisen zu liegen.
Und so bringt es auch nichts, andere auf ihre eigenen emotional unreifen Verhaltensweisen aufmerksam zu machen. Der eigene Organismus geht immer in die Selbstverteidigung und verschließt sich vor dieser Erkenntnis.
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