Frühe Kindheitserinnerungen

Frühe Kindheitserinnerungen

Frühe Kindheitserinnerungen

Frühe Kindheitserinnerungen treten laut aktueller Wissenschaft frühestens ab dem 3. Lebensjahr auf. Ich erlebe das aber tagtäglich anders. Mein Körper erinnert sich. Vor allem erinnert er sich an Gefühle. Zu manchen Gefühlen gibt es Bilder oder Filme dazu in meinem Kopf, zu anderen nicht. Aber mein Körper erinnert sich genau daran, wie es sich angefühlt hat, als ich nichts tun konnte. Als ich hilflos meinem Umfeld ausgeliefert war. Selbst, als ich meine Emotionen abgespalten hatte, schickte mir mein Körper Warnungen.

Frühe Kindheitserinnerungen können bis ins Säuglingsalter reichen

Inhaltsverzeichnis über „Frühe Kindheitserinnerungen“

! Hinweis !

Ich möchte keine Trigger setzen.

In keinem meiner Beiträge werde ich im Detail beschreiben, was ich erlebt habe. Das ist auch nicht notwendig, weil das Problem nicht das ist, was mir passiert ist, sondern das Problem sind die Gefühle, die ich dabei hatte.

Trotzdem kann der Beitrag Gefühle in einem auslösen, die man lieber nicht fühlen möchte. Am Ende muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er bereit dafür ist.

Gefühlserinnerungen

In diesem Beitrag soll es um diese Gefühlserinnerungen gehen.

Es sind keine Erinnerungen, wie sich die Wissenschaft das vorstellt: Bilder oder Videos im Kopf, die wie ein Film ablaufen.

Stattdessen scheint die Wissenschaft nicht bereit zu sein anzuerkennen, woran wir uns wirklich erinnern: an Gefühle.

Gefühle reichen bis zu unserer Geburt zurück, eine Zeit, in der wir kein sprachliches Konzept in unserem Kopf hatten, um das auszudrücken, was passierte. Aber trotzdem können sich unsere Körper daran erinnern.

Gefühle, die im Hier und Jetzt zu passieren scheinen, sind oft „nur“ gefühlte Erinnerungen aus früheren Zeiten. Es scheint keine klare Verbindung zwischen den Gefühlen heute und den Gefühlen aus der Vergangenheit zu geben. Aber trotzdem erinnert sich unser Organismus. All diese frühen Kindheitserinnerungen sind in unseren Körpern gespeichert und werden durch diese auch wieder zum Ausdruck gebracht.

Schrittweise Erinnerungen

Ich verwende für diesen Beitrag Worte und male damit Bilder, die einzige Möglichkeit auszudrücken, was in meiner Kindheit in mir vor sich ging. Aber in den wenigsten Fällen gibt es Bilder in meinem Kopf dazu.

Trotzdem können diese Beschreibungen triggern. Du allein entscheidest, ob du das lesen willst.

Du verpasst nichts, wenn du es nicht liest

Säugling

Ich liege da und starre an die Decke.

Ich kann mich nicht beschäftigen oder ablenken, ich bin komplett abhängig von erwachsenen Menschen.

Und dann höre ich die Schritte.

Oh Gott, diese Schritte.

Wenn diese Schritte kommen, bringen sie nichts Gutes. Niemals.

Und ich kann nicht weg. Ich kann nirgends hin. Ich kann nur hoffen, dass sie weiter gehen, nicht bei mir stehen bleiben.

Bitte, geht weiter.

Ich kann nichts tun. Ich kann nur beobachten und mit meinem Bewusstsein nicht mehr anwesend sein. Bitte sei nicht in deinem Körper anwesend.

Ich kann nichts tun

1 1/2 Jahre

Irgendetwas stimmt nicht. Ich krieg keine Luft mehr.

Oh Gott, ich krieg keine Luft mehr, was mach ich nur?

Bloß nicht zeigen, dass es dir nicht gutgeht, Johanna. Versteck dich, damit sie es nicht merkt. Bestimmt geht es von alleine wieder weg und sie merkt es erst gar nicht.

Versteck dich hinter der Couch, damit sie dich nicht sieht. Sonst flippt sie wieder aus und alles wird viel schlimmer. Sie wird es viel schlimmer machen. Wir kriegen das alleine hin, das geht bestimmt gleich wieder weg. Bestimmt geht es gleich wieder weg.

Da kommen ihre Schritte.

35 Jahre

Kaum liege ich abends im Bett, fängt sie unten an durchs Haus zu laufen. Ich spüre ihre Schritte körperlich durch meinen Körper hallen.

Und dann bin ich hellwach und kann nicht einschlafen. Ich kann nur noch auf diese Schritte lauschen und hören, wo sie sich hinbewegen. Jetzt sind sie in der Küche, dann im Bad.

Es nervt mich.

Und gleichzeitig geht es mit meinen Ängsten einher, was ich überhaupt nicht verstehe. Meine Gedanken erzählen mir, das all das Schreckliche passieren wird, wovor ich Angst habe.

Das ist total albern

Ich würde mir gern Ohrstöpsel in die Ohren machen, aber irgendwie sorge ich mich, dass ich dann nicht mitbekomme, was um mich herum passiert.

Als ob ein Einbrecher käme!

Ich liege in meinem Zimmer im ersten Stock im Haus meiner Eltern, wer soll da bitte kommen?

Erst nachdem ich meine Zimmertür abgeschlossen habe, kann ich mir Ohrstöpsel in die Ohren machen und mich soweit entspannen, dass ich einschlafen kann.

40 Jahre

Ihre Schritte wecken mich immer.

„Sie“ ist die Nachbarin aus der Wohnung nebenan und sie hat dieselben Schritte wie meine Mutter. Und da mein ganzer Organismus von klein auf gelernt hat, diese Schritte zu fürchten, geh ich mitten in der Nacht in eine Übererregung.

Ich weiß, dass es nicht die Schritte meiner Mutter sind. Ich weiß, dass diese Schritte, die ich höre, nichts mit mir zu tun haben.

Trotzdem reagiert mein Körper sofort und ich kann nichts dagegen tun.

Ich empfinde keine Panik oder Angst, mein ganzes System ist einfach in Alarmbereitschaft. So genau kann ich gar nicht beschreiben, was das bedeutet. Dann liege ich einfach hellwach in meinem Bett und kann nur diesen Schritten lauschen, bis die Nachbarin ins Bett geht.

Erst dann fährt mein System wieder runter und ich kann einschlafen.

Frühe Kindheitserinnerungen – War es wirklich so schlimm?

Es gibt Momente in meinem Leben, da frage ich mich, ob das mit meiner Kindheit wirklich so schlimm war.

In diesen Momenten kann ich den Horror einfach nicht spüren, ich bin komplett davon abgespalten. Dann ist es mir peinlich zu behaupten, ich wäre traumatisiert worden. Es gibt Menschen auf diesem Planeten, die haben viel schrecklichere Dinge erlebt!

Das war alles doch gar nicht so schlimm damals.

Das rede ich mir nur ein (Wortlaut meiner Eltern)

Und dann kommen Traumatage.

Tage, an denen ich Krämpfe im Rücken haben, kaum essen kann und nur im Überlebensmodus bin. Tage, an denen mir alles wehtut und ich kaum die Augen offen halten kann.

Und an diesen Tagen kommen frühe Kindheitserinnerungen, mit all den Gefühlen, die ich als Kind nicht fühlen konnte. Und ich erinnere mich wieder, wie schlimm ich meine Kindheit empfunden habe. Wie schrecklich das Gefühl der Abhängigkeit war und die damit einhergehende Hilflosigkeit.

Dabei möchte ich mich nicht erinnern.

Aber mein Körper scheint sich erinnern zu wollen. Als ob er all die engen Gefühle los werden möchte, die ihn davon abhalten ein freies Leben zu führen.

Die Schritte

Ich habe die letzten zehn Jahre im Haus meiner Eltern gelebt und wusste die meiste Zeit nichts von irgendwelchen Traumata.

Ihre Schritte haben mich genervt, aber ich hatte keinerlei Verbindung dazu, warum sie mich so unruhig werden lassen.

Jetzt weiß ich, dass die Schritte in meiner Kindheit angekündigt haben, wenn etwas Schlimmes passieren wird. Die Schritte waren die Warnung für meinen Organismus, dass ich mich jetzt besser schützen muss.

Selbst, als ich von den Traumata abgespalten war und nichts davon wusste, hat mein Organismus diese Schutzreaktion gezeigt. Und meine Gedanken haben versucht irgendeine Logik zu erkennen, warum ich so angespannt bin, wenn ich die Schritte höre. Ich habe tatsächlich geglaubt, ich hätte Angst vor Einbrechern, die mir etwas antun. Dabei war die Gefahr nicht außerhalb des Hauses, sondern innerhalb.

Und so erinnert sich mein Körper an Dinge, für die ich keine Bilder oder Filme im Kopf habe. Aber er weiß Bescheid und zeigt mir die emotionalen Baustellen in mir.

Nur, weil ich mich nicht erinnere, bedeutet das nicht, dass es nicht stattgefunden hat!

Am Ende ist es für mich auch nicht relevant, ob die Bilder, die ich gerade mit Worten gemalt habe, tatsächlich frühe Kindheitserinnerungen sind oder nicht. Sie transportieren einfach die Gefühle und erlauben es mir, das zu fühlen, was in meiner Kindheit zu schrecklich war, als dass ich es hätte fühlen können.

Meine aktuelle Wohnung

Wie lange ich noch in dieser Wohnung wohnen bleiben kann, mit den Schritten dieser Nachbarin? Keine Ahnung.

In manchen Zeiten fügt mir das Hören dieser Schritte physische Schmerzen zu. Gleichzeitig aber erlauben die Schritte meinem Organismus zu lernen, dass diese Schritte im Hier und Jetzt keine Bedrohung mehr sind. Wie in meiner Kindheit auch, kann ich nur dabei sitzen und nichts an den Schritten selbst ändern. Aber anders als in meiner Vergangenheit, bewegen sich die Schritte nie auf mich zu, um in eine Auseinandersetzung mit mir zu gehen.

Aktuell sehe ich diese emotionale Auseinandersetzung mit diesen Schritten als Chance meine emotionalen Wunden aus der Kindheit zu heilen. Dafür müssen sie aber erst gesäubert und gefühlt werden.

Die Schritte der Nachbarin geben mir aktuell die Möglichkeit mich zu erinnern. Erst durch die gefühlte Erinnerung kann ich mir bewusst werden über die emotionalen Wunden.

Aber für den eigentlichen Heilungsprozess wird es sicherlich notwendig sein, dass sie oder dass ich ausziehe.

Damit die alten Wunden nicht ständig wieder neu aufgerissen werden. Nachdem die Wunden gesäubert sind, brauchen sie Ruhe, um sauber verwachsen zu können.

Aber das werde ich dann sehen

Emotionale Wunden heilen lassen
Geiz und Gier

Geiz und Gier

Geiz und Gier

Die zwei Gs der dunklen Gefühle

Geiz und Gier gehören sicherlich zu den Gefühlen, die wir uns lieber nicht anschauen wollen. Und schon gar nicht darüber sprechen! Dabei tragen wir alle diese Form der dunklen Gefühle in uns, weil sie der Spezies „Mensch“ vor Jahrtausenden das Überleben gesichert haben. Die Frage ist nur, ob sie heute in unserer Überflussgesellschaft überhaupt noch notwendig sind? Wollen wir überhaupt wissen, dass wir selbst diese Gefühle in uns tragen?

Geiz und Gier, die zwei dunklen Gs der Gefühle

Inhaltsverzeichnis über „Geiz und Gier“

Die meisten Menschen haben „dunkle“ Gefühle

Es gibt Gefühle in uns, von denen wir nicht wissen, dass sie da sind. Oder sollte ich besser sagen: Die wir in uns nicht wahrhaben wollen.

Während wir sie bei anderen sehen, liegt bei unserer eigenen Persönlichkeit ein dunkler Fleck an der Stelle, an der diese zwei Gefühle sitzen.

Es ist, als ob unser Ego uns davor schützt, diese Gefühle wahrzunehmen, weil unser Ego glaubt, diese Gefühle zum physischen Überleben zu brauchen.

Aber erstmal zum Anfang

GEIZ ist das Gefühl etwas nicht hergeben zu wollen. Dieses Gefühl lässt einen an materiellen Dingen festhalten, weil man in dem Glauben ist, nur mit diesen Dingen das eigene Überleben zu sichern.

GIER wiederum ist das Gefühl, etwas dringend zu brauchen und es sich zu nehmen, manchmal ohne Rücksicht auf Verluste. Bei dem Gefühl der Gier steht das eigene Überleben im Vordergrund und man wird dafür sorgen, dass man überlebt, egal wie.

Geiz = Es gibt nicht genug
Gier = Ich habe nicht genug

Beide Gefühle basieren auf dem Glauben, dass es nicht genug gibt. Deswegen muss man an dem festhalten, was man bereits hat und man braucht noch mehr von dem, was man glaubt besitzen zu müssen.

Dabei haben beide gemeinsam, dass der Fokus immer auf dem eigenen Selbst liegt. Man scheint in seiner eigenen Welt gefangen zu sein und man kann (und will) nicht die Bedürfnisse von anderen sehen.

Eine Zeit des Geizes und der Gier

Eine Zeit, in der ich diese beiden Gefühle unglaublich stark wahrgenommen habe, war während Covid und dem danach folgenden Lebensmittelmangel wegen dem Krieg.

Ich war ungern in Supermärkten, weil viele Menschen von diesen zwei Gefühlen gesteuert wurden.

Auch ich habe diesen unglaublichen Drang verspürt, mir Mehl aus dem Regal zu nehmen, weil nur noch zwei Packungen da waren. Meine Gedanken haben mir erzählt, weswegen ich jetzt unbedingt Mehl brauche. Weil ich doch so gerne Brot esse und bestimmt bald die Bäckereien kein Brot mehr haben. Und Rapsöl brauchte ich auch ständig!

Und wenn ich mich gegen den Kauf entschieden habe, fing die Panik an, dass ich doch all diese Sachen ganz dringend brauchen werde!

Ich brauche das!

Und das ist das Problem mit Geiz und Gier: Dass sie für das einzelne Individuum tatsächlich nicht ersichtlich sind.

Ich als Individuum würde sagen: „Ich bin nicht geizig, ich bin sparsam. Und ich bin nicht gierig, ich brauche diese Dinge ganz dringend.“

Es ist wie das Auge, dass sich selbst nicht sehen kann

Wir nehmen diese Gefühle bei anderen wahr, aber bei uns selbst liegen sie so tief im Schatten verborgen, dass wir der festen Überzeugung sind, dass sie nicht da sind.

Wenn wir bei anderen beobachten und fühlen, wenn sie sich geizig oder gierig verhalten, lehnen wir diese Gefühle instinktiv ab. Von außen ist es klar wahrnehmbar, dass hinter einem bestimmten Verhalten bestimmte Gefühle verborgen liegen, die zu diesem Verhalten führen.

Bei uns selbst jedoch nehmen wir das nicht so einfach wahr. Wie ein Schutzmechanismus liegt ein Mantel über den Gefühlen Geiz und Gier. Nur so können wir das eigene Überleben sichern, erzählen uns unsere Gedanken.

Der Ursprung

Der Ursprung von Geiz und Gier beim Menschen liegt klar in der evolutionären Geschichte verborgen.

Als wir noch Jäger und Sammler waren und nicht wussten, wann es das nächste Mal etwas zu essen geben wird. Unsere Organismen mussten lernen, Dinge des täglichen Bedarfs einzuteilen, so dass auch in schwierigen Zeiten das physische Überleben gesichert war.

Gleichzeitig lernte der Mensch zu unterscheiden, wer ein Recht darauf hatte zu überleben und wer nicht. Zu allererst musste das eigene physische Überleben gesichert werden, danach kamen Abstufungen: Erst die engere Familie (das Überleben der eigenen Gene quasi), dann die eigene Gruppe. Fremde Personen mussten ausgeschlossen werden.

Und so bewahrte uns das Gefühl des Geizes davor, selbstlos mit anderen zu teilen, damit unser eigenes Überleben gesichert war. Und Gier sorgte dafür, dass wir immer mehr Überlebensgüter anhäuften, um auch in schwierigen Zeiten davon profitieren zu können.

Häufigkeit in unserer Gesellschaft

Obwohl jeder Einzelne in unserer deutschen Gesellschaft mittlerweile immer mehr materielle Güter besitzt, unser Lebensstandard weiter wächst und unser physisches Überleben eigentlich nie gefährdet ist, scheinen die Gefühle von Geiz und Gier immer weiter zuzunehmen. Jeder scheint Angst zu haben, den eigenen Lebensstandard zu verlieren und die eigenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können.

Und darum geht es diesen zwei Gefühlen in Wirklichkeit: Die Bedürfnisse des Individuums zu befriedigen.

Es geht nicht mehr um das physische Überleben, wie noch vor Jahrtausenden. Stattdessen geht es um das Erfüllen von Bedürfnissen.

Und wie kleine Kinder scheint unsere Frustrationstoleranz sehr gering zu sein.

Wir wollen umgehende Bedürfnisbefriedigung

Schaffen wir es ein Bedürfnis zu befriedigen, setzt für einen kurzen Moment Ruhe ein bis das nächste Bedürfnis kommt, das befriedigt werden möchte.

Was tun

Können oder wollen wir uns über diese Gefühle nicht bewusst werden?

In den meisten Fällen wollen wir dem Gefühl des Geiz und dem Gefühl der Gier glauben. Wir wollen unsere Bedürfnisse befriedigen. Kann mir ja egal sein, ob der andere dann noch Gas hat, solange ICH und meine Lieben es im Winter warm haben.

Und am Ende kann sich nur jeder selbst bewusst machen, dass er oder sie aus dem Gefühl der Gier heraus handelt und dann die Wahl treffen, dem Gefühl nicht zu glauben. Die Wahl treffen, sich gegen eine Gesellschaft zu stellen, in der jeder Einzelne immer mehr hat, aber immer weniger teilen möchte. 

Wir sind nicht unsere Gene!

Der Glaube, wir wären unserer evolutionären Geschichte hilflos ausgeliefert und könnten überhaupt nichts dagegen tun, gilt inzwischen als stark umstritten. Wir sind nicht unsere Gene! Jeder trägt Bewusstsein in sich und kann erkennen, wann es notwendig ist dem Gefühl des Geizes und der Gier zu glauben und wann nicht.

Denn natürlich gibt es auch in unserer Überflussgesellschaft Momente, in denen es nötig sein kann, diesen Gefühlen nachzugeben und dementsprechend zu handeln. Man muss nur lernen zu unterscheiden, wann man den eigenen Gedanken und den damit einhergehenden Gefühlen glaubt und wann nicht. Aber dafür muss man wissen, dass man diese Gefühl in sich trägt.

Vielleicht ist es an der Zeit die dunklen Flecken in uns anzuschauen und zu erkennen, was da noch alles so in uns vorhanden ist.

Nur jeder Einzelne kann etwas gegen Geiz und Gier tun. Jeder Einzelne muss sich selbst anschauen und ehrlich mit sich selbst sein.

Und vielleicht kann sich unsere Gesellschaft irgendwann weiterentwickeln

Die Menschheit kann sich weiterentwickeln
Die weggeschlossene Vergangenheit – Trauma neu gedacht

Die weggeschlossene Vergangenheit – Trauma neu gedacht

Die weggeschlossene Vergangenheit

Trauma neu gedacht

„Trauma“ kann viele Bedeutungen haben. Menschen, die an Flashbacks und körperlichen Einschränkungen leiden, haben einen anderen Blick auf dieses Wort (und vor allem ein anderes Gefühl in Verbindung mit diesem Wort), als Professionelle das tun. Ich glaube, wir alle tragen traumatische Erlebnisse in unseren Körpern. Diese weggeschlossene Vergangenheit beeinflusst unser aller Leben positiv und negativ, in den meisten Fällen völlig unbewusst. Aber vielleicht ist es Zeit, ein bewusstes Leben zu führen?

Trauma: die weggeschlossene Vergangenheit

Inhaltsverzeichnis über „Die weggeschlossene Vergangenheit“

Die Vergangenheit liegt hinter uns, richtig?

Wir schließen unsere schmerzliche Vergangenheit gerne in unsere Körper ein. Weil wir die Vergangenheit nicht fühlen wollen. Weil wir sie nicht sehen wollen.

Wir wollen ganz fest daran glauben, dass die Vergangenheit hinter uns liegt und uns nichts mehr anhaben kann.

Aber in Wirklichkeit lebt sie als unangenehme Energie in unseren Körpern weiter und treibt uns voran, positiv wie negativ. Sie führt zu Perfektionismus, Narzissmus, Krankheiten, Depressionen, Ängsten. Wie in meiner Geschichte über den Schrank der unterdrückten Gefühle, so unterdrücken wir unangenehme Gefühle aus der Vergangenheit.

Trauma?

In unserer Vergangenheit gab es Ereignisse, die so schlimm waren, dass wir die dazugehörenden Gefühle lieber weggeschlossen haben, anstatt sie zu erleben. Und dabei meine ich nicht zwangsläufig die Ereignisse, die die Psychiatrie als „Trauma“ bezeichnet.

Bedeutung von „Trauma“ in der Psychiatrie

Tatsächlich ist Trauma ein Begriff, den man nirgends als Diagnose findet. In medizinischen Fachkreisen spricht man von Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). Als Diagnosekatalog wird dafür in Deutschland am häufigsten das ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) verwendet. Bis 2026 gilt hierbei die Fassung ICD 10, wobei eine aktualisierte Version, die ICD 11, bereits seit 2022 in Kraft ist.

In der ICD 10 wird eine Posttraumatische Belastungsstörung folgendermaßen definiert:
„Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.“ (https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2024/block-f40-f48.htm).

„[…] die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“ ist ein kleiner Zusatz in der ICD 10, der verhindert, dass viele „psychiatrische Patienten“ keine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert bekommen.

Der Traumabegriff wurde inzwischen durch das ICD 11 neu definiert und erweitert

Was die Definition nicht zum Ausdruck bringt, ist, dass wir am Ende alle Individuen sind. Das bedeutet, nur weil jemand anderes kein Problem damit hat, wenn er angebrüllt wird, muss das für mich nicht gelten. Als Kind zum Beispiel werden wesentlich mehr Ereignisse als bedrohlich empfunden, weil Kinder abhängig sind von den Erwachsenen in ihrer Umgebung. Ein unabhängiger Erwachsener, der Medizin studiert und den Facharzt in Psychiatrie gemacht hat, sieht das wahrscheinlich anders.

Diagnosen sollten die Individualität eines jeden Einzelnen anerkennen, anstatt alle über einen Kamm scheren zu wollen.

Mir wurde zum Beispiel keine Posttraumatische Belastungsstörung zugesprochen, weil es nach Ansicht der Ärzte nicht ausreichend Belege dafür gab (weil ich diese Erinnerungen abgespalten hatte, das hat aber niemand in Erwägung gezogen). Erst seit drei Jahren steht, rein zufällig, in einem psychiatrischen Dokument PTBS.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich schon länger, dass meine „psychischen Probleme“ von Kindheitstraumata herrührten.

Aber ich hatte mich davon gelöst, Bestätigung bei Professionellen zu suchen und mir vom Außen anerkennen zu lassen, dass meine eigenen Gefühle stimmen. 

Keiner hat je mit mir über die Diagnose PTBS gesprochen

Mein Verständnis von „Trauma“ ist der, dass alle Ereignisse, die Gefühle in einem ausgelöst haben, die so schlimm waren, dass sie zum Zeitpunkt des Auftretens nicht erlebt werden konnten, zu einem Trauma führen können.

Oder vereinfacht gesagt: In dem Moment, wo ich mir wünsche, dass meine Kinder eine andere Kindheit erleben als ich selbst, kann man von Trauma sprechen. Ganz simpel.

„Trauma“ heißt für mich, dass Gefühle im Körper „weggeschlossen“ wurden und im Hier und Jetzt durch Krankheit, durch soziale Auffälligkeiten, durch Persönlichkeitsanteile zum Ausdruck kommen, ohne dass es dem einzelnen Individuum bewusst ist. Diese unterdrückten Gefühle beeinflussen die komplette Persönlichkeit.

Erinnerungen?

Wir wollen uns einfach nicht an die weggeschlossene Vergangenheit erinnern. Aus gutem Grund.

Ich will mich auch nicht erinnern. Aber dann zwingt mich mein Körper dazu.

Er wird immer schwächer, verkrampfter, schmerzhafter bis zu dem Punkt, wo ich die schlimme Energie aus der Vergangenheit zulasse.

Ich habe schreckliche Angst vor diesen Symptomen, aber wahrscheinlich ist meine wahre Angst die Angst vor den Erinnerungen, gar nicht so sehr die Angst vor den körperlichen Symptomen. Beides kann ich aber nicht voneinander trennen

Das körperliche Unwohlsein geht mit dem psychischen Unwohlsein Hand in Hand

Wenn ich der Energie erlaube da zu sein, schwappt sie über mich drüber wie eine Welle und reißt mich mit. Zurück in schlimme Gefühle, die mich im Hier und Jetzt heimsuchen. So musste ich lernen, die Kontrolle abzugeben.

Wenn ich die Symptome rationalisiere (d.h. mir einrede, dass das alles nicht so schlimm ist, dass das schon wieder weggehen wird, dass mir irgendwer helfen wird), werden sie lauter. Immer lauter, bis ich keine Kraft mehr habe dagegen anzukämpfen.

Und dann ist die Vergangenheit auf einmal nicht mehr weggeschlossen. Sie findet in der Gegenwart statt, weil sie immer noch in meinem Körper weiterlebt.

Nicht gehört werden

Gerade beschäftigt mich das Gefühl nicht gehört bzw. gesehen worden zu sein. Niemand wollte sehen, was in meiner Familie passierte und was das mit mir machte. Alle wollten nur meine Rolle sehen, die erzählte, dass ich alles im Griff hatte. Die Johanna brauchte nie Hilfe.

Ich war Perfektionistin, sozial, gut angezogen und hatte ordentlich gekämmte Haare.

Und alle waren froh, dass ich es im Griff hatte. So mussten sie selbst nicht aktiv werden. So mussten sie nicht in die dunklen Abgründe von jemand anderem eintauchen, obwohl sie noch nicht mal ihre eigenen dunklen Abgründe im Griff hatten.

Dieses Gefühl sucht mich am heutigen Tage heim.

Nie hat jemand zugehört. Selbst Therapeuten wollten nur das Therapieziel erreichen, mich sehen wollten sie nicht. Und so haben sie das eigentliche Problem übersehen: Dass die „Depression“ und die „Angststörung“ nur Hinweise auf etwas Tieferliegendes waren.

Dadurch habe ich gelernt, meine verletzten Persönlichkeitsanteile tief in mir zu verstecken. Sie waren unerwünscht.

Das hier geht an alle, die nicht gehört und nicht gesehen wurden:

Ich höre und ich sehe euch

Tiefe Tauchgänge

Mittlerweile tauche ich ungewollt tagtägliche in die dunklen Abgründe meiner Psyche ein, um jeden Rest meiner weggeschlossenen Vergangenheit ausfindig zu machen und die Energie zu lösen, so dass ich im Hier und Jetzt ein freies Leben führen kann. Ein Leben, dass nicht heimgesucht wird von der weggeschlossenen Vergangenheit.

Solange noch Reste da sind, werde ich weiter Vergangenes fühlen müssen. Ich hatte mir ein anderes Leben vorgestellt. Und jetzt ist es so.

Die Menschheit und ihre weggeschlossene Vergangenheit bzw. Trauma

Natürlich ist das meine persönliche Geschichte.

Trotzdem glaube ich aber, dass so gut wie alle Menschen auf diesem Planeten Gefühle aus der Vergangenheit ins sich weggeschlossen haben, nur wissen sie es nicht, oder wollen es nicht wissen.

Und diese vergangenen Gefühle beeinflussen das Leben im Hier und Jetzt. Positiv wie negativ. Unsere Gesellschaft wird gesteuert von unterdrückten Gefühle (ohne hier jetzt mit dem Finger zum Beispiel auf Politiker zeigen zu wollen).

Am Ende können wir vor der Vergangenheit nicht weglaufen, sie wird uns immer einholen, weil wir sie tagtäglich leben. Weil wir unsere Vergangenheit geworden sind.

Selbst wenn wir den Zusammenhang nicht erkennen, werden unsere Körper Symptome und Erkrankungen zeigen, die auf den ersten Blick nichts mit Emotionen zu tun haben. Die aber von der weggeschlossenen Vergangenheit verursacht werden.

Und das vielleicht Schlimmste ist, dass es nicht nur unsere eigene erlebte Vergangenheit ist. Wir tragen auch die weggeschlossene Vergangenheit unserer Eltern und Großeltern in uns. Die Epigenetik beschäftigt sich mit diesem Thema. Traumata, die andere erlebt haben, sitzen in unseren Körpern und wollen gefühlt werden.

Dabei hab ich schon genug mit meiner eigenen Vergangenheit zu tun!

Je länger wir uns wehren die weggeschlossene Vergangenheit zu fühlen, desto lauter wird sie werden. Desto mehr Krankheit wird es geben. Wie mein Körper es mir seit Jahren vorlebt. Je mehr ich mich wehre, desto unangenehmer wird es.

Vielleicht ist es an der Zeit, dass jeder Einzelne den Mut hat, sich die eigene weggeschlossene Vergangenheit anzuschauen, bevor es zu physischen Symptomen kommt.

Und dann bewusst eigene Entscheidungen zu treffen, anstatt unbewusst ein Leben basierend auf traumatischen Kindheitserlebnissen zu führen

Die Menschheit kann sich weiterentwickeln
Wenn MEINE Realität die einzig WAHRE Realität ist

Wenn MEINE Realität die einzig WAHRE Realität ist

Wenn MEINE Realität die einzig WAHRE Realität ist

Jeder Mensch hält seine eigene Realität für die WAHRE Realität. So, wie ICH die Welt sehe, IST die Welt nunmal. Aus meiner persönlichen Sicht bedeutet das, alle anderen sind total rücksichtslos und dringen mit ihren Geräuschen und Gerüchen ungebeten in mein Leben ein. Aus der Sicht der anderen bin ich total merkwürdig und man meidet mich besser. Welche Realität ist nun die WAHRE Realität? Gibt es überhaupt eine WAHRE Realität?

Wessen Realität ist die wahre Realität?

Inhaltsverzeichnis über „Wahre Realität“

Mein aktuelles Leben

Ich lebe ein sehr zurückgezogenes Leben. Ich habe kaum soziale Kontakte, zu meiner Familie habe ich aktuell gar keinen Kontakt und die meiste Zeit bin ich mit mir selbst zusammen und froh darum.

Menschen strengen mich an mit all ihren Emotionen, ihrer Gier, ihrer Rücksichtslosigkeit. Ich nehme einfach unglaublich viel wahr, das meiste davon will ich gar nicht wissen und trotzdem ist es da.

Meine kleine Wohnung bevölkere nur ich und nur meine Sachen. Ich möchte auch niemand hier haben. Ich möchte selbst entscheiden, wann sich etwas in der Wohnung verändert oder wann ich Musik hören oder wann ich die Balkontür stundenlang offen stehen haben möchte.

Die meiste Zeit lebe ich in der Stille und genieße dieses Gefühl des Friedens und des In-der-Balance-Seins.

Wenn alles in mir durcheinander gerät entscheide ich mich bewusst dafür den Fernseher anzumachen oder Kopfhörer anzuziehen und mich abzulenken

Wären da nicht die Nachbarn. Insgesamt gibt es hier drei Nachbarparteien, wobei nur eine einzige Partei direkt hinter den Wänden meiner eigenen Wohnung lebt.

Sie dringen in mein Leben ein. Sie zwängen sich in meine Stille mit ihrer Musik, ihren Unterhaltungen, ihren Schritten. Die direkte Nachbarin hat harte Fersenschritte, für mich ein Zeichen für tiefe Unbewusstheit. Sie ist sich ihrer selbst und ihres Körpers nicht bewusst und merkt gar nicht, dass sie Tag und Nacht durch ihre Wohnung stampft. Und dieses Geräusch aktiviert jedesmal mein Nervensystem.

Ich kann nichts dagegen tun

Auch ihre Gerüche wehen immer wieder zu mir rüber. Sie rauchen auf ihrem Balkon oder haben ihre Dunstabzugshaube in der Küche an. Schön, dass ihr den Geruch EURES fettigen Essens nicht bei EUCH in der Wohnung habt! Dafür ist er bei MIR in der Wohnung. Und nichts davon würde ich selbst essen!

Oder der Geruch eurer Restmülltonne bei Nordostwind. Weil ihr die Tonne in der prallen Sonne stehen habt.

Ich dringe doch auch nicht in eure Leben ein, warum tut ihr es dann bei mir? Wenn ich laut singen möchte, gehe ich ins Feld, damit ich euch nicht damit belästige. Wenn es mir nicht gutgeht, gehe ich spazieren, anstatt euch mit meinem Weinen zu behelligen.

Ich bin gerne draußen, weil es mein Nervensystem beruhigt und es wieder in die Balance bringt. Aber bei Nordostwind kann ich nicht auf meinem Balkon sitzen wegen dem Geruch. Gerüche triggern mich. Das habe ich mir so nicht gewünscht, aber so ist es nunmal.

Perspektivwechsel

Die neue Nachbarin ist echt merkwürdig! Ständig sehe ich durch’s Küchenfenster, wie sie rüber zum Bach geht. Was zum Teufel macht sie da? Da ist rein gar nichts.

Oder letztens habe ich sie tatsächlich die Straße entlang tanzen sehen! Tanzen! Die ist mindestens 40!

Aber als Hartzerin scheint es ihr nicht schlecht zu gehen. Sitzt ständig auf dem Balkon in der Sonne und liest oder hängt an ihrem Laptop rum. So ein Leben hätte ich auch gerne! Ich muss immer malochen, damit ich irgendwie über die Runden komme.

Und dann macht sie immer morgens schon um 8 Uhr ihren Rollladen hoch! Egal, ob unter der Woche oder am Wochenende. Da bin ich grad eingeschlafen!

Und die eine Nachbarin hat mir erzählt, dass sie Pflanzen nicht gerne in Töpfen hat, weil Pflanzen immer miteinander verbunden sein sollen. Was für ein Quatsch ist das denn! Bestimmt isst sie auch kein Tier und tanzt ihren Namen!

Überempfindlich scheint sie auch zu sein. Sie riecht die Restmülltonne auf ihrem Balkon, behauptet sie. Und jetzt soll ICH die Tonne umstellen, weil SIE sich dadurch gestört fühlt? Ich hab ihr direkt geschrieben, dass ich die Tonne nie rieche.

Langsam fängt sie an mich zu nerven. Bevor sie kam, hat alles hier gut funktioniert.

Meine Perspektive

Aus meiner Perspektive lebe ich ein Leben in einem bewussten Einssein mit mir und meiner Umwelt. Ich bin mir darüber bewusst, wenn ich in die Leben von anderen eindringe oder mich dafür entscheide, meine emotionalen Päckchen woanders auszuleben.

Alles, was ich tue, tue ich aus einer bewussten Entscheidung heraus. Ich fühle mich besser, wenn ich in der Natur bin. Ich fühle mich besser, wenn ich in der Stille mit am besten gar keinen Geruch sitze. All das habe ich in jahrelanger Achtsamkeit für mich selbst erarbeitet.

Das ist momentan mein Leben

Die Nachbarn agieren unbewusst einfach Triebe aus: Wenn sie Hunger haben, braten sie sich was, wenn sie Nikotin brauchen, rauchen sie.

Deren Perspektive

Aus deren Perspektive bin ich einfach merkwürdig. Ich habe merkwürdige Ansichten über das Leben und verhalte mich auch durch und durch merkwürdig! Dieser Quatsch mit den Pflanzen und dass ich ständig draußen bin. Sie wissen von der MS-Diagnose, dadurch haben sie für sich selbst eine Ausrede, warum ich so merkwürdig bin. Und sie fühlen sich durch diese Merkwürdigkeit gestört.

Während ich mich von ihrem Lärm und ihren Gerüchen gestört fühle, fühlen sie sich durch meine pure Andersartigkeit gestört. Dadurch, dass ich mich anders verhalte, anders rede, ein anderes Leben führe.

Wessen Realität ist nun die wahre Realität?

Wer hat Recht? Sie sind mehrere, die gemeinsam ein Bild von einer bestimmten Realität haben. Haben sie deswegen automatisch Recht?

Aus meiner Perspektive sind diese Menschen merkwürdig, weil sie alle mit dem Strom mitschwimmen, gefangen in einem Leben aus: Aufstehen | Arbeiten | Essen | Sex haben | Fernsehschauen | Schlafen.

Wiederholen.

Ich würde mir wünschen, meine Realität wäre die wahre Realität. Eine Realität, in der sich jeder seiner selbst bewusst ist und die Auswirkungen seines Handelns erkennt und dementsprechend abwiegt, wie man sich verhalten möchte.

Aber die wahre Realität ist die, dass jeder seine eigene Realität lebt, bewusst oder unbewusst

Die eine wahre Realität gibt es nicht
Mitleid vs. mitfühlen

Mitleid vs. mitfühlen

Mitleid vs. mitfühlen

Worin liegt der Unterschied zwischen Mitleid und mitfühlen? Besonders für die Betroffenen, die bemitleidet werden … oder mit denen man mitfühlt? Wer entscheidet darüber, dass der andere Leid empfindet? Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass der andere Leid empfindet oder interpretiere ich da nicht etwas hinein, was der andere vielleicht gar nicht selbst so sieht? Ist Mitleid also überhaupt angebracht?

Mitleid oder mitfühlen?

Inhaltsverzeichnis über Mitleid vs. mitfühlen

Perspektive einer Betroffenen – Ich

Mitleid empfinde ich als arrogant und herablassend. Das liegt daran, dass Mitleid bedeutet, jemand anderes bewertet mein Leben und urteilt, dass mit meinem Leben etwas nicht stimmt, was es zu bemitleiden gibt.

Dabei ist es MEIN Leben. Da gibt es kein Urteil darüber, weder von mir noch von anderen. Es gibt kein „richtiges“ Leben auf diesem Planeten. Jeder führt sein eigenes Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen, mit seinen körperlichen und emotionalen Schmerzen.

Niemand hat das Recht darüber zu urteilen, wie ein Leben auszusehen hat. Und deswegen empfinde ich es als unangenehm, wenn Leute mir gegenüber Mitleid zeigen: Teilnahmsvoll meine Hand nehmen und mir sagen, wie stark ich bin.

Mitfühlen ist toll

Ich weiß, dass es nicht die Absicht der Leute ist, arrogant und herablassend zu sein. Eigentlich möchten sie mitfühlen. Aber hinein zu interpretieren, dass jemand leidet, nur weil er Schmerzen hat oder 20 „Krankheiten“, ist nicht mitfühlen.

Mitfühlen bedeutet, ich spüre in den anderen hinein

Mitfühlen bedeutet, ich spüre in den anderen hinein und sehe, wie diese Person mit der Situation umgeht. Nicht, ich interpretiere, dass diese Person leiden muss, weil ich in solch einer Situation leiden würde.

Ihr könnt nicht wissen, wie ihr in solch einer Situation empfinden würdet, solange ihr nicht selbst in dieser Situation seid.

Alltagsbeispiel für Mitleid

Ihr erfahrt durch gemeinsame Freunde, dass eine Bekannte von euch ihren hochrangigen, gut bezahlten Job in einer großen Firma aufgrund von Stellenkürzungen verloren hat.

Als ihr sie das nächste Mal trefft, nehmt ihr ganz mitfühlend ihre Hand und sagt: „Lisa, ich hab das mit deinem Job gehört. Das tut mir ja so leid! [Mitleid!] Gerade jetzt, da ihr den Kredit für euer neues Haus abbezahlen müsst und grade euer zweites Kind auf die Welt kam!“.

Die Bekannte schaut euch ganz irritiert an: „Da gibt es nichts zu bemitleiden! Ich bin sooo froh, dass ich da nicht mehr arbeiten muss! Ich hatte einen narzisstischen Chef, der hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Und durch die Kündigung von Seiten der Firma hab ich sogar noch ne Abfindung ausbezahlt bekommen!“.

Analyse Mitleid-Beispiel

Lisa ist erleichtert darüber, dass sie diesen Job nicht mehr machen muss.

Statt jedoch offen in das Gespräch hinein zu gehen und zu fühlen, was Lisa eigentlich selbst über diese Situation empfindet, geht ihr voreingenommen in das Gespräch mit dem Gedanken: Oh Gott, Lisa wird am Boden zerstört sein, hat bestimmt Angst, leidet und ich sichere ihr meine Unterstützung zu, indem ich ihr mitteile, wie leid mir das tut.

Selbst wenn Lisa unglücklich mit der Situation wäre, bräuchte sie euer Mitleid nicht.

Sie mag Unterstützung brauchen, emotionale, finanzielle, materielle Unterstützung. Aber mit eurem Mitleid packt ihr noch ein schweres Gefühlspäckchen mit hinzu.

Mitleid projizieren

Wenn ihr Leid auf andere projiziert, schafft ihr ein emotionales Gefälle zwischen euch, dem Interpretierer, und dem anderen, dem Leidenden.

Zwischen den Zeilen sagt ihr: „Ich, aus meiner gehobenen (gesünderen, reicheren, schlaueren, machtvolleren…) Position sehe auf dich hinab und erkenne aus dieser Metaperspektive, dass du kein gutes (gesundes, reiches, unabhängiges….) Leben führen kannst, so wie du lebst. Dein Leben müsste anders sein! Und durch mein Mitleid tue ich so, als ob ich mitfühlen würde.“

Dabei agiert der Mitleider aus einer egozentrischen Perspektive ohne in Betracht zu ziehen, dass die andere Person es anders empfinden könnte.

Mitfühlen ist ein empathischer Akt, in dem ich anerkenne, dass meine Perspektive nicht die einzige Wahrheit ist, sondern dass jeder seine eigene Wahrheit im Bezug auf sein eigenes Leben hat.

Leiden heißt, das abzulehnen, was sich gerade in diesem Moment präsentiert. Diese Ablehnung führt zu Leid.

Müsst ihr Mitleid mit mir haben oder könnt ihr mit mir mitfühlen?

Ich leide nicht.

Es gibt Momente in meinem Leben, in denen ich Leid empfinde und das sind die Momente, in denen ich mein Leben, so wie es ist, ablehne. Ablehnung führt zu Leid.

Aber selbst in diesen Momenten brauche ich nicht das Leid von anderen.

Das ist euer Leid, bitte behaltet es bei euch und stülpt es mir nicht über. Dieses Kostüm ist mir einfach zu eng.

Ich würde mich freuen, wenn ihr mit mir mitfühlt. Aber das ist kein mentaler Akt, sondern ein Akt aus einem tiefen Gefühl heraus. Dann spürt ihr einfach, wie es mir geht.

Wenn ihr mitfühlt, werdet ihr sehen, dass es nichts zu leiden gibt, auch wenn ich viele Diagnosen mit physischen und psychischen Schmerzen habe.

Mitleid ist nicht dasselbe wie mitfühlen
Das F-Wort unserer Gesellschaft

Das F-Wort unserer Gesellschaft

Das F-Wort unserer Gesellschaft

Diskriminierung ist theoretisch in unserer Gesellschaft kein Thema. Alle sind furchtbar tolerant. Außer man kann nicht (mehr) so, wie die Gesellschaft das gerne hätte. Und nach und nach spürt man, dass man irgendwie nicht mehr dazu gehört, auch wenn es (vor allem in intellektuelleren Kreisen) wohl kaum einer direkt anspricht. In unserer Gesellschaft gibt es ein großes Unwort, was indirekt jeder erfüllen muss, der dazu gehören möchte.

Unangenehme Gefühle verbergen sich im Minenfeld

Inhaltsverzeichnis über Diskriminierung in unserer Gesellschaft

Recht und Ordnung durch Regeln

In unserer Gesellschaft gibt es viele Regeln, an die sich jeder Beteiligte halten muss, wenn er Teil dieser Gemeinschaft sein will. Das ist notwendig, um Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten, nicht wahr?

Nur scheinen die Regeln immer umfangreicher zu werden, immer enger wird der Rahmen, in dem wir unsere Leben leben. Individualität ist nicht gewünscht, erst recht nicht, wenn sie nicht den Regeln der Gesellschaft entsprechen.

Richtig schwierig wird es aber, wenn das F-Wort ins Spiel kommt. Es ist das Unwort unserer Gesellschaft, nie ausgesprochen, aber von denjenigen, gegen die es verwendet wird, immer präsent, immer spürbar.

F wie Funktionieren.

Die oberste Regel in unserer Gesellschaft ist es zu funktionieren, so wie das die Gruppe möchte. Wer nicht funktioniert, kann kein Teil dieser Gruppierung mehr sein. Wer nicht funktioniert, ist auf sich allein gestellt.

Was ist mit unserer Solidargemeinschaft?

Halt, stopp! Wir haben doch eine Solidargemeinschaft! Die Arbeitenden zahlen Geld in Form von Steuern für diejenigen, die nicht mehr arbeiten können! Richtig, wir nennen das in Deutschland Bürgergeld. Der Abschaum des Abschaums bekommt Bürgergeld (so Leute wie ich). Mal ehrlich, das sind doch alles Schmarotzer. Tun so als wären sie zu krank zu arbeiten und machen sich nen faulen Lenz während sich der Rest abrackert!

Dieses Gefühl ist es, was viele „Kranke“ davor zurückschrecken lässt, längere Zeit krankgeschrieben zu sein. Sie werden zum Abschaum, abgestempelt, dürfen kein Teil dieser Gemeinschaft mehr sein.

Mir geht es hierbei nicht um das Geld, was um einiges geringer ausfällt, als bei Normalverdienern. Es geht mir um das Gefühl, was mir die Welt gibt, wenn ich nicht (mehr) arbeiten kann.

Das Gefühl ausgeschlossen zu sein

Keiner sagt das natürlich direkt. Das wäre Diskriminierung. Aber ich spüre es. Ich spüre ihre Ablehnung, ich spüre den Widerwillen, der aus jeder Pore ihres Wesens austritt. Und dabei ist das große Thema: Will ich nicht arbeiten oder kann ich nicht arbeiten?

Kann ich nicht oder will ich nicht?

Worin genau liegt bei psychischen Herausforderungen der Unterschied? Kann ich nicht Busfahren oder will ich nicht Busfahren? Ich habe zwei Beine, die beweglich sind, ein paar Straßen weiter ist eine Bushaltestelle. Physisch bin ich in der Lage Bus zu fahren. Also scheine ich nicht zu wollen.

So ist es auch mit der Arbeit. Ich habe bewegliche Finger und die meiste Zeit ein funktionierendes Gehirn (ganz wichtig: Funktionieren!), ich könnte also als Texterin arbeiten. Warum tue ich es nicht? Weil ich lieber mein Leben als Hartzerin genieße (ja, Hartzerin, Bürgergeldempfänger*innen werden Hartzer bleiben, ausgespuckt und abfällig)?

Funktionierende Physis

Also, mein Körper scheint funktional, die meiste Zeit jedenfalls. Trotzdem funktioniere ich für die Gesellschaft nicht richtig. Dabei ist es wichtig zu funktionieren.

Als das alles anfing lauter zu werden, wollte ich um jeden Preis funktionieren. Damals bedeutete das für mich, zu Ende zu studieren, arbeiten zu gehen und ein lebhaftes Privatleben zu haben. Ich habe brav die Pillen genommen, die mir verschrieben wurden, war in Kliniken, habe mir einen Skill-Koffer zugelegt, habe mich bewegt und Entspannungsübungen gemacht.

Ich war eine brave Patientin. Und all das hat mich kurzfristig wieder zum Funktionieren gebracht.

Wie ein Motor, den man mit Benzin befüllt ohne zu merken, dass der Tank ein Leck hat.

Der Motor wird für kurze Zeit wieder anspringen, wird funktionieren, wenn er mit Benzin gefüllt wird. Bis das Benzin verbraucht und ausgelaufen ist. Besonders lange hält dieser Motor nicht durch.

Und so habe auch ich nicht lange durchgehalten bis der nächste Zusammenbruch kam. Und je länger ich nicht funktionierte, desto weniger Menschen blieben in meinem Leben übrig. Keine Freunde mehr, die mich in Kliniken besuchten. Keine Arbeitskollegen, die mir Nachrichten schrieben.

Da war nur ich und meine nicht funktionierende Psyche.

Ein Heilerziehungspfleger hat mal im Bezug zu Behinderung und Arbeit zu mir gesagt, dass er sich ärgere, wenn andere genauso viel Geld kriegen wie er, obwohl sie wesentlich weniger Leistung erbringen.

Schließlich leisten Nicht-Funktionierende nichts. Sie tragen nichts bei. Sie sind ein Klotz am Bein, der den anderen die Arbeit noch erschwert.

Wer nicht funktioniert hat kein Recht auf einen „normalen“ Lebensstandard.

Diskriminierung von einigen aus unserer Gesellschaft

Denken alle so? Eher nicht.

Trotzdem bleibt das Gefühl bei mir, dass wesentlich mehr Menschen in Deutschland so denken und es nur nicht aussprechen.

Aber in all den Nicht-Funktionierenden bleibt das schale Gefühl zurück, kein Teil mehr zu sein. Keine Leistung zu erbringen bedeutet eben kein vollwertiges Mitglied der Solidargemeinschaft zu sein. Das wurde von klein auf in uns alle eingeimpft. In die Funktionierenden und die Nicht-Funktionierenden.

Das sitzt so tief, dass es nur als laues Gefühl an die Oberfläche kommt. Ein Gefühl, das sich schwer beschreiben lässt. 

Das Gefühl, nicht vollwertig zu sein, weil ich nicht funktioniere.

Ein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft